Originaltitel: X-Men: First Class
USA, 2011
Kinostart: 09.06.2011
From the Studio that brought you X-Men Origins: Wolverine
Prequel-Filme, die die Ursprungsgeschichten bekannter Figuren erzählen, stehen gemeinhin im Ruf, überflüssig zu sein. Für das Publikum ergeben sich kaum neue Erkenntnisse, da es den Ausgang der Geschichte bereits kennt, und wenn es um Comicverfilmungen geht, lauert obendrein die Fan-Polizei auf jeden kleinen Fehler.
20th Century Fox versucht mit First Class bereits zum zweiten Mal, die erfolgreiche X-Men-Reihe über schnöde Fortsetzungen hinaus zu melken, mit gemischtem Erfolg.
X-Men: Erste Entscheidung erzählt, was durch Bryan Singers X-Men-Filme längst bekannt ist: Die beiden Mutanten Erik Lensherr und Charles Xavier scharen seit 50 Jahren Mutanten um sich, um mehr über die gemeinsamen Kräfte zu lernen und Bedrohungen durch die “normalen” Menschen sowie durch andere Mutanten koordiniert begegnen zu können. Durch ihre verschiedenen Ansichten, wie man den intoleranten Menschen entgegentreten sollte, gingen sie getrennte Wege und standen einander fortan als Widersacher gegenüber.
Charles, der behütet im Schoß wohlhabender Eltern aufwuchs, ist der Gemäßigte der beiden und wird von James McAvoy mit genau der richtigen Mischung aus Intelligenz, Ambition und Gelassenheit gespielt, die im falschen Moment in Unachtsamkeit umschlägt.
Ihm gegenüber steht der künftige Magneto Erik, der im Kz am eigenen Leib erlebte, zu welchen Gräueltaten die Menschen fähig sind. Der ebenfalls perfekt besetzte Michael Fassbender gibt ihm die nötige Intensität, um sein beizeiten irrationales Handeln glaubhaft zu machen.
Das Problem ist, dass die beiden keine nennenswerte Wandlung durchmachen. Wer sich neue Einblicke in die Motivationen der beiden erhofft, sollte auf eine Enttäuschung gefasst sein. Die einzige, die sich im Laufe des Films relevant ändert, ist Raven alias Mystique, die von Senkrechtstarterin Jennifer Lawrence grundsympathisch und mit einer liebenswerten Verletzlichkeit gezeichnet wird. Doch nicht zuletzt das ist es, was ihre plötzliche Wandlung im letzten Akt furchtbar unglaubwürdig macht.
Um die restlichen Mutanten ist es dünn bestellt. Nicholas Hoult als Hank McCoy ist völlig verschwendet, und January Jones spielt Emma Frost derart steif, als hätte sie bei der Charakterbeschreibung nach dem Namen nicht mehr weitergelesen. Eine Erwähnung wert ist lediglich nochKevin Bacon, der als Sebastian Shaw seine gewohnte Präsenz mitbringt und dessen Versuche, Deutsch zu reden, durchaus unterhaltsam geraten.
Die Existenzberechtigung des Films liegt natürlich keineswegs im Erzählen einer überraschenden oder tiefgründigen Geschichte. Was zählt, ist die Demonstration allen möglichen Superhelden-Schnickschnacks, und hier liefert der Film, was das Herz des Genrefans begehrt.
Regisseur Matthew Vaughn spielt zwar nicht ansatzweise in derselben Liga wie Singer, fängt die diversen Superkräfte jedoch effektiv ein. Zwischen Charles und Erik gelingen sogar ein paar kurze Charaktermomente.
Die Effekte sind überwiegend gut gemacht, so dass die Leinwand mit zum Teil spektakulären Bildern gefüllt wird. Angenehm hierbei ist auch der gnadenvolle Verzicht auf 3D - es ist erfrischend, einen effektgeladenen Studiofilm zu sehen, dessen helles Bild scharfe Kanten und knackige Farben besitzt.
X-Men: Erste Entscheidung bietet eine Menge Sehenswertes. Fans der Comics müssen sich allerdings darauf einstellen, so manches Auge zuzudrücken. Die etablierte Historie wird nicht ganz so spektakulär missachtet wie von X-Men Origins: Wolverine, doch selbst die Kontinuität zu den anderen Filmen wird für beiläufige Insiderscherzchen mit Füßen getreten.
Wer sich von den Effekten berauschen lassen will, wird vergnügliche zwei Stunden erleben.
Felix “Flex” Dencker