Originaltitel: Savage Grace
USA, Spanien, 2007
Kinostart: 08.05.2008
Im November 1972 wurde Barbara Baekeland von ihrem Sohn erstochen. Mit Wilde Unschuld demonstriert Regisseur Tom Kalin, dass die Welt dadurch ein besserer Ort wurde.
Der Film beginnt 1946, als Brooks Baekeland (Stephen Dillane), der steinreiche Enkel des Erfinders von Bakelit, und seine Frau Barbara (Julianne Moore) gerade ihren Sohn Antony bekommen haben, was wenig an der frostigen Beziehung der beiden ändert.
Im Paris der späten 1950er Jahre zeichnet sich bereits ab, dass der junge Antony für seine Mami nicht nur das Lebenswerk darstellt, das diese stolz in der High Society herumzeigt, sondern auch den besten Freund. Auf Frankreich folgt Spanien, dann Italien, und an jedem Ort werden elends langweilige Episoden aus dem derangierten Leben der Baekelands erzählt, in denen der blasierte Antony verschiedene Spielarten der Sexualität auslebt, bis es schließlich zum Finale nach London geht. Hier bekommt der Film nach satten 75 Minuten zwar doch noch so etwas wie eine Handlung, diese ist jedoch dermaßen widerwärtig geraten, dass man sich glatt das lähmende Nichts zurückwünscht.
Es mag sein, dass die Geschichte auf realen Vorbildern basiert, doch trägt der Film nichts zum Verständnis bei, was über einen Dreizeiler in der Lokalzeitung hinausgehen würde. Anstatt eine Erklärung für das groteske Treiben zu suchen, aalt sich Kalin in den sonnigen Drehorten, die er aber nicht sonderlich reizvoll einzufangen vermag.
Julianne Moore gibt ihr Bestes und vollbringt das Wunder, von 1946 bis 1972 nicht einen Tag zu altern, kommt jedoch zu keiner Zeit gegen die manierierten Dialoge und die nervenaufreibende Affektiertheit an, die das Drehbuch ihr aufdrückt. Eddie Redmayne ist in der Rolle des erwachsenen Antony eher Darsteller als Schauspieler und sieht aus wie ein Otto-Katalog-Model in der Raucherpause.
Wer in seiner jüngeren Vergangenheit einer alten Dame den Rentencheck geklaut oder etwas vergleichbares zu verbüßen hat, kann mit Wilde Unschuld sein Karma-Konto aufbessern.
Der Rest sollte sich dieses alles andere als wilde, und ganz sicher nicht unschuldige Machwerk um Gottes Willen ersparen.
Felix “Flex” Dencker