USA, 2008
Die arbeitslose Wendy (Michelle Williams) möchte in Alaska ein neues Leben beginnen. Irgendwo in einer Kleinstadt in Oregon nimmt die beschwerliche Reise jedoch ein vorläufiges Ende. Zuerst gibt ihr betagter Wagen den Geist auf, dann lässt sich die junge Frau auch noch beim Stehlen erwischen und muss für einige Stunden ins Gefängnis. Währenddessen verschwindet ihr Hund Lucy, der ihr ganz besonders am Herzen liegt. Eine verzweifelte Suche beginnt.
Kelly Reichhardts vierter Spielfilm ist ähnlich bedächtig inszeniert wie ihre bisherigen Arbeiten, darunter Ode und der mit einiger Verzögerung letzte Woche in den deutschen Kinos angelaufene Old Joy. Das Setting von Wendy and Lucy, eine triste, von Arbeitslosigkeit geprägte Us-Kleinstadt, erinnert ebenso an die frühen Werke David Gordon Greens wie die glaubhaften, aus dem echten Leben gegriffenen Figuren, darunter ein hilfsbereiter Parkplatzwächter (Wally Dalton), der etwas grantige aber ehrliche Chef einer Autowerkstatt (Will Patton) oder auch der arschkriecherische Supermarktangestellter Andy (John Robinson). Getragen wird der Film jedoch eindeutig von Michelle Williams, die angenehm zurückhaltend und natürlich agiert und ihre vertrackte Situation damit umso fassbarer für das Publikum macht. Reichhardt zeigt mit ihrem kleinen Film schonungslos die Schattenseiten des amerikanischen Traums, den selbst die Bemühtesten nur höchst selten erleben dürfen. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist längst zu einem der sozialen Verwahrlosung geworden, in dem die Armutsgrenze immer weiter zum schrumpfenden Mittelstand aufschließt, während die Reichen immer reicher werden.
Wendy and Lucy ist ein unaufgeregter Abgesang auf eine völlig pervertierte Form des Kapitalismus, mit leisem Humor versehen und einer tollen Michelle Williams in der Titelrolle. Eine klare Empfehlung für Freunde des Arthouse-Kinos.
Michael “Eminence” Reisner