USA, 2006
Kinostart: 06.07.2006
Eine Stimme warnt uns: Ich wurde in eine Welt geboren, die Ihr vielleicht nicht versteht.
Die Stimme gehört Violet (Milla Jovovich), der Heldin des neuen Werks von Autor und Regisseur Kurt Wimmer, einigen vermutlich durch Equilibrium bekannt. Violet ist eine Hemophagin, das bedeutet, sie wurde mit einem osteuropäischen Virus infiziert, der sich durch Stärke und Schnelligkeit sowie verlängerte Eckzähne bemerkbar macht. In amerikanischen Labors sollte dieser Virus potentiert werden, um Supersoldaten heranzuzüchten, geriet jedoch außer Kontrolle. Folge: Die Blutkriege.
Die Regierung versucht seither, die Vamp… Entschuldigung, Hemophagen auszurotten, um weitere Infektionen zu vermeiden, denn eine unerwünschte Nebenwirkung, neben gelegentlich auftretender Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht, ist die kurze Lebensspanne der Infizierten. Diese sind allerdings nicht gewillt, auf ihre letzten Tage zu verzichten, also schicken sie Violet ins Rennen, um den Genozid zu verhindern.
Ihr Gegenspieler ist Daxus (Nick Chinlund), der eine Superwaffe entwickelt hat, die die Hemophagen ausrotten soll. Als Violet erfährt, dass es sich bei der Waffe um einen kleinen Jungen (Cameron Bright) handelt, entschließt sie sich, fortan gegen ihre eigenen Leute anzugehen. Doch dann stellt sich heraus, dass der kleine Junge Daxus´ Sohn ist - Die Frage lautet also: Wer ist Daxus wirklich?
Zumindest glaube ich, dass dies die Frage ist, denn Violet hat schon Recht: Ich verstehe diese Welt nicht. Eine Zeit, die von einer Blutseuche bestimmt wird, und in der Unterschriften mit Blut geschrieben werden. Eine Zeit, in der eine Frau erst einmal Haar- und Klamottenfarbe wechselt, bevor sie anfängt, Angreifer abzuwehren. Eine Zeit, in der diese Frau ein Gegenmittel benutzt, um die Auswirkungen des Virus zu verschleiern und den Rest des Films lamentiert, es gäbe kein Gegenmittel gegen die Seuche.
Richtig, es ist definitiv eine Zeit, die ich nicht verstehe.
Es scheint, als ob die Gebrüder Wachowski dem guten Kurt ein bisschen Taschengeld zur Verfügung gestellt hätten, um ein kleines Matrix-Spinoff zu drehen. Doch wer will so etwas noch sehen? Die Menge an Filmen, die von Matrix klauen, ist schon unüberschaubar groß, da braucht es schon etwas mehr als Milla Jovovich in engen Klamotten. An diesem sozusagen schmalbrüstigen Konzept scheiterte bereits Aeon Flux, in dem Charlize Theron etwas eleganter durch sinnfreie Bilder hüpfte.
Dass die Geschichte hanebüchen, das Drehbuch lausig konstruiert und eine Dialogzeile hirnerweichender als die nächste ist, muss nicht störend auffallen. Wer sich einen solchen Film ansieht, der will Action sehen. Schnelle, gut gemachte und schick in Szene gesetzte Action. Nun, das zu betonende Attribut lautet in diesem Fall “schnell”, denn oft sind die Kämpfe vorbei, bevor sie richtig angefangen haben. So manches Mal wird vollständig abgeblendet sobald es los geht, einige Male darf Violet zumindest wild mit ihrem Schwert fuchteln, bevor ihr Dutzend Gegner sich entschließt, tot umzufallen. Die Zahl der ausführlich gezeigten Kämpfe ist enttäuschend gering. Zudem wurde auch hier so konfus inszeniert, dass zwar darüber hinweggetäuscht werden kann, dass es nichts Neues zu sehen gibt, es aber auch hartgesottenen Fans von bunter Trivialaction schwer fallen wird, sich für diesen Kuddelmuddel zu begeistern.
Auch der Rest des Films schafft es, unter der niedrig angelegten Messlatte von Aeon Flux einen souveränen Limbo durch zu tanzen. Die Videospieloptik liegt in etwa auf dem Niveau der Animatics großer Studioproduktionen, also den animierten Storyboards, an Hand derer später der richtige Film gedreht wird. Das Ganze wurde dann durch einen Unschärfefilter gejagt, und voilà: Fertig ist die neueste und völlig aseptische Zukunftsvision. Dieses in mehrfachem Sinne schwache Bild versuchte Wimmer durch Kameraspielereien zu übertünchen, die dann leider ebenso schwachsinnig gerieten wie die Kampfszenen, so dass der Film auf zwei sehr wackeligen Beinen steht.
Die Darsteller fügen sich da überwiegend perfekt ein.
Milla Jovovich wirkt in ihren besseren Momenten wie eine Light-Version der Alice, die sie in Resident Evil gab. In ihren schlechteren Momenten versucht sie zu schauspielern.
Cameron Bright blickt wie immer drein, als seien seine Schmerzmittel gerade im Begriff, nachzulassen. Auch dieses Mal will sich mir nicht erschließen, warum dieses Kind immer wieder in Hauptrollen besetzt wird.
Sebastien Andrieu als Bösewicht ist gänzlich zu vernachlässigen, William Fichtner schmerzlich verschwendet, und so bleibt nur Nick Chinlund eine halbwegs lobende Erwähnung wert, da dieser trotz seines bescheuerten Popelpropfens noch ein gewisses Charisma ausstrahlt.
Wie uns die Gerüchteküche lehrt, legte Wimmer seine Wunschversion den Studiobossen vor, die daraufhin eine halbe Stunde entfernten und den Rest massiv umschneiden und “entschärfen” ließen, was auch immer das genau heißt. Aber wer nun Schuld ist, Wimmer oder die berühmten 1000 Affen an den 1000 Schreibmaschinen, das Ergebnis ist schlicht und ergreifend indiskutabel.
Felix “Flex” Dencker