Originaltitel: Eastern Promises
USA, 2007
Kinostart: 27.12.2007
Ein junges, hochschwangeres Mädchen wird mit aufgeschlitzter Kehle in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert und bringt mit letzter Kraft ihr Kind zu Welt. Um dem Baby zu helfen, macht sich die Hebamme Anna (Naomi Watts) daran, das Tagebuch der russischen Verstorbenen zu übersetzen und gerät in den Sumpf des organisierten Verbrechens.
David Cronenberg erklärte in einem Interview, nicht die Mechanismen der Mafia interessierten ihn, sondern was Menschen dazu antreibt, konstant außerhalb des Gesetzes zu leben. Eastern Promises ist entsprechend charakterbezogen und bietet, nicht zuletzt durch die perfekt besetzten Darsteller, tiefe und glaubwürdige Figuren. Watts überzeugt in der Rolle der hilflosen Anna, die ihre eigene Muttersprache und die Gepflogenheiten ihrer ebenfalls nach England immigrierten Landsleute nicht kennt und dadurch nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr bringt.
Bereits zum zweiten Mal übernimmt Viggo Mortensen die männliche Hauptrolle in einem Cronenberg-Film, und zum zweiten Mal weiß er zu begeistern. Als Bodyguard und aufstrebender Mafiosi ist er gleichsam vertrauenswürdig und ruchlos, verwundbar und übermächtig. Armin Müller-Stahl als Kopf der Familie und Vincent Cassell als sein hitzköpfiger Sohn sowie Sinead Cusack und Jerzy Skolimowski als Annas Mutter und Onkel machen das Ensemble komplett.
Der Preis für die Charaktertiefe ist wenig überraschend, dass der Plot schon mal ein wenig ins Trödeln kommt. Cronenberg erzählt seine Geschichte voller Gewalt und Psychoterror mit der ihm typischen Ruhe, die nie ganz ins Langweilige abdriftet, aber den Zuschauer dennoch immer wieder einlullt, nur um dann von Momenten exzessiver Gewalt unterbrochen zu werden.
Dass die Kamera gerne länger auf ausblutenden Kehlen verweilt, mag unnötig sein, doch Cronenberg wäre nicht Cronenberg, würde er sich nicht ein wenig redundante Gewalt gönnen.
Wo es ihn und Drehbuchautor Steven Knight leider verlässt, ist das Ende, das sich gehetzt anfühlt und einen etwas unfertigen Eindruck hinterlässt. Eastern Promises gehört zum mikroskopisch kleinen Kreis der Filme, denen ein Mehr an Laufzeit gut getan hätte.
Die perfekte Besetzung kann überwiegend darüber hinweg täuschen, dass weder Handlung noch Figuren sonderlich originell sind. Eastern Promises bedient größtenteils die gängigen Mafia-Klischees, lässt hier und da aber ein wenig von Cronenbergs Genie (und Perversion) durchscheinen. Sicher nicht der beste Film des Jahres, aber ebenso sicher sehenswert.
Felix “Flex” Dencker