Originaltitel: Trolljegeren
Norwegen, 2010
Kinostart: 07.04.2011
André Øvredal liebt seine Heimat und ihre Legenden. Vermutlich zumindest, denn sie waren Grund genug, 10 Jahre nach seinem ersten (und letzten) abendfüllenden Spielfilm wieder als Regisseur und Drehbuchautor aktiv zu werden.
Was die Vermarktbarkeit betrifft, macht er dabei auch gleich etwas richtig, denn Troll Hunter lässt sich mit wenigen Worten ebenso griffig wie treffend beschreiben: Blair Witch Projekt mit Trollen.
Das war es dann auch schon. Wir haben eine junge Filmcrew, die in die Pampa reist, um einer fixen Idee hinterher zu jagen (in diesem Fall einem Interview mit einem Wilderer), einen wahren Höllentrip durchlebt und letztlich spurlos verschwindet. Bis es soweit ist, darf viel mit der Kamera gewackelt und herum geschrien werden. Und bis es überhaupt Soweit ist, wird sinnlos herum gefilmt, um die Figuren beiläufig einzuführen.
Dieses erste Drittel des Films ist es, das Troll Hunter beinahe zu Fall bringt. Die Einführung von Figuren, Thema und Setting ist so hirnerweichend öde, dass selbst die himmelschreiende Ignoranz der Protagonisten dagegen verblasst. Nach einem gefühlten Dutzend Filmen ähnlicher Machart hätte ein kompromissloserer Einstieg, der mehr auf Realismus setzt, durchaus punkten können. Zu allem Überfluss bleibt die Crew über die gesamte Laufzeit blass und konturlos, was es schwer macht, nicht von Zeitverschwendung zu sprechen.
Apropos Realismus: Wann die Kamera läuft, was aufgenommen wird und wo es zu freiwilligen oder unfreiwilligen Unterbrechungen kommt, ist zweifellos essenziell für die Glaubwürdigkeit eines Films, der einen dokumentarischen Stil verfolgt. Spätestens seit bei Cloverfield ein überspieltes Band die Gelegenheit zu Rückblenden gab, kann niemand mehr behaupten, die Stilistik erlaube keine erzählerischen Freiheiten. Umgekehrt nimmt man als Zuschauer durchaus wahr, wenn die Kamera auch in Momenten läuft, die kein Kameramann, der mehr als 2 Sinne beisammen hat, aufzeichnen würde. Troll Hunter ignoriert all das und zeigt stets, wonach dem schlichten Drehbuch der Sinn steht - kreatives Erzählen sieht anders aus.
Aber Logik, Realismus und Glaubwürdigkeit sind ohnehin keine Aspekte, um die sich das Publikum schert; es will doch jeder nur die Trolle sehen. Und hier zeigt sich dann endlich ein maßgeblicher Unterschied zu Blair Witch und Co: Der Film geniert sich nicht, die titelgebenden Monster zeitig und ausgiebig zu zeigen. Im Gegenteil: Anstatt mit dem Auftritt der Fabelwesen noch weiter in die Knie zu gehen, punktet Troll Hunter mit eindrucksvoll inszenierten und animierten Auftritten, deren Wucht für die dringend benötigte Spannung sorgt. Letztendlich sind es diese überraschend guten Produktionswerte sowie das Sounddesign, die Troll Hunter vor dem Krepieren retten. Die Trolle sind nicht nur toll animiert, sie lassen eine große Liebe zu den Figuren erkennen, die man aus Märchen und Legenden kennt. Auf Basis der Geräuschkulisse, dem Rumoren der massigen Wesen in der Dunkelheit, macht sich dann sogar stellenweise die erhoffte Beklemmung breit. Was in der öden Einleitung an Wohlwollen verspielt wurde, vermögen diese Szenen wieder einzufahren.
Bleibt das Problem der Stilistik.
“You’ll believe it when you see it!”, verkündet eines der Kinoplakate vollmundig. Der Film selbst lässt halbwegs erkennen, wie ironisch dieses Versprechen gemeint sein muss. Eine Zielgruppe, die jung und leichtgläubig genug ist, um sich von Dokumentationsfilm-Stilistik und CGI täuschen zu lassen, dürfte noch schwerer zu finden sein als die titelgebenden Fabelwesen. Wenn Troll Hunter aber eine Mockumentary sein soll, lässt er dies selten erkennen. Zu deutlich ist die Anbiederung an das Erfolgsrezept von Filmen wie Blair Witch Project und Cloverfield. Was an Absurditäten und Unglaubwürdigkeiten abseits der Filmprämisse präsentiert wird, kann nur auf sehr abstrakter Ebene als Kommentar auf die vergleichbaren Vorgänger gewertet werden. Trotz eines zähen ersten Drittels und den Ermüdungserscheinungen der Erzählweise ist Troll Hunter ein solider Dokugrusel, der allein schon seiner brachialen Soundkulisse wegen im Kino genossen werden sollte. Ansonsten kann
es passieren, dass man mit der heimischen Anlage die Trolle der Nachbarschaft weckt.
Nach Metropia und Dead Snow endlich mal wieder ein netter, wenn auch nicht nennenswerter, innovativer Norweger.
Tom Maurer