Ohne Magie sieht die Welt ziemlich farblos aus. Die ausgewaschenen Bilder, in denen die Ritter-Romanze Tristan + Isolde gehalten ist, geben ein anschauliches Beispiel dafür. Nach Troja, einem Mythos ohne Götter, und King Arthur, einer Sage ohne Zauber, wird nun die tragische Erzählung um Tristan und Isolde ihres fantastischen Brimboriums beraubt.
Abgesehen von diesem nüchternen Blickwinkel orientiert sich Drehbuchautor Dan Georgaris (Paycheck) aber offenkundig an mittelalterlichen Dichter-Vorbildern. Georgaris´ poetisch überfrachtetes Plädoyer für die Liebe wird durch die espritlose Inszenierung von Kevin Reynolds (Waterworld) behäbiger als so manches Epos aus dem 12. Jahrhundert.

Historischen Ausgangspunkt für Tristan + Isolde bildet der Untergang des Weströmischen Reiches. Der Abzug der Römer hat die zerstrittenen Stämme Britanniens unter der Knute des Königreichs Irland zurückgelassen. Lord Aragon (Richard Dillane) möchte die britischen Clans vereinen, um sich gegen die Iren behaupten zu können. Während der Bündnisverhandlungen werden die Clan-Oberhäupter jedoch von irischen Truppen überrascht. Bei dem Angriff stirbt Aragon, sein Sohn Tristan (Thomas Sangster) wird von Lord Marke (Rufus Sewell) gerettet und wächst in dessen Königtum Cornwall auf. Schon in jungen Jahren beweist sich Tristan als resoluter Kämpfer. Herangewachsen stellt sich der schneidige Ritter (James Franco) gegen die Plünderungen der Iren. Bei einer siegreichen Schlacht wird Tristan jedoch verwundet und für tot gehalten. Nach einer Seebestattung, die zum Glück weniger feurig ausfällt als gewohnt, strandet er an der Küste Irlands. Dort findet ihn die Königstochter Isolde (Sophia Myles) und pflegt ihn gesund.

Eine Laune des Schicksals bringt die beiden verwandten Seelen zusammen, das gleiche Schicksal reißt sie wieder auseinander und sorgt auch gleich für eine Reihe blöder Zufälle, die viel Herzschmerz nach sich ziehen.
Tristan muss nach Cornwall fliehen. Von seiner Liebe angespornt kehrt er aber bald nach Irland zurück, um für Lord Marke in einem Turnier eine Braut zu gewinnen. Tristan weiß nur leider nicht, dass es sich bei dem Preis um Isolde handelt.

Tristan + Isolde mündet in der zweiten Filmhälfte in eine verzwickte Dreiecksgeschichte, die wie ein blutleeres Remake von Jerry Zuckers — selbst sehr laschem — Der Erste Ritter abläuft.
Die zugrunde liegenden Sagenstoffe weisen ja auch klare Verwandtschaft auf. Unter ihren Verwicklungen und Wendungen ruht immerhin das Potential für feine Dialoge, vielschichtige Charaktere und spannende Dramaturgie. Die Umsetzung in Tristan + Isolde verlässt sich aber auf ein junges Publikum, das sich mit dem Glauben an strahlende Ritter in weißer Rüstung zufrieden gibt und nach keinerlei Anspruch verlangt.
Die einzigen Lebenszeichen der Hauptfiguren sind nämlich Seifenoper-Liebesbekundungen, welche noch dazu mit reichlich Geigenmusik überzuckert werden. Da kann sich James Franco noch so im Liebeskummer winden und Sophia Myles ihre Augen noch so verzweifelt niederschlagen, Tristan und Isolde erwecken sie nicht zum Leben.
In den Reihen der Nebendarsteller behält sich wenigstens Rufus Sewell (Dark City) als bedächtiger König seine Würde. Alle anderen Figuren besitzen jeweils nur eine einzige bestimmende Charakter-Eigenschaft. Die herzensgute Amme oder den bösen König gab es aber überzogener und damit wenigstens unterhaltsamer in Reynolds´ Kevin Costner-Abenteuer Robin Hood — König der Diebe zu belächeln.
Durch Schauwerte oder aufregende Schlachten kann Tristan + Isolde aber nicht punkten, obwohl er trotz seines Budgets das Mittelalter zumindest in akzeptablem Kinoformat auferstehen lässt.
Der Film war seit den 70er Jahren ein lang gehegtes Wunschprojekt von Ridley Scott, der gemeinsam mit seinem Bruder Tony als ausführender Produzent fungierte. Die lange Vorlaufzeit hat die Filmumsetzung der keltischen Sage aber nicht heranreifen lassen. Abgesehen vom Geld mangelt es an neuen Gedanken, einen alten Stoff ohne Kitsch und Klischees oder moralische Plattheiten über Männer-Ehre auf die Kinoleinwand zu bringen.

Um eine Ruine aus vergangenen Zeiten herzurichten, reicht es eben nicht aus, nur das darüber gewachsene Unkraut zu entfernen und herab gefallene Bausteine mehr schlecht als recht wieder an ihren ursprünglichen Platz zu legen. Die Geschichte von Tristan und Isolde handelt immerhin von zwei Menschen, deren Liebe sich gegen Hürden der Gesellschaft behaupten muss. Die neueste Filmadaption findet in den zeitlosen Aspekten der Sage jedoch keine Bezugspunkte für ein Publikum, das nicht im Mittelalter lebt.

Markus Marv” Grundtner