USA, 2012
Kinostart: 23.08.2012
Die totale Banalisierung
Der Fabrikarbeiter Douglas Quaid (Colin Farrell) wird immer wieder von mitreißenden Träumen heimgesucht, in denen er ein actionreiches Leben lebt, ganz anders als der dröge Alltag mit seiner Frau Lori (Kate Beckinsale). Um aus den Träumen wenigstens gefühlte Realität zu machen, geht er zu Rekall, einer Firma, die synthetische Erinnerungen verkauft. Doch bevor er sich der Prozedur unterziehen kann, dringen Polizisten in das Gebäude ein und töten alle - bis auf Quaid, der von seinen blitzschnellen Reflexen ebenso überrascht wird wie von Lori, die ihm plötzlich ebenfalls nach dem Leben trachtet.
Bei der Verfolgungsjagd begegnet er der Rebellin Melina (Jessica Biel), der Frau seiner Träume. Mit ihrer Hilfe schließt er sich dem Widerstand an, um dem korrupten Kanzler Cohaagen (Bryan Cranston) Einhalt zu gebieten. Dieser plant offenbar einen Angriff auf Quaids Heimat, einen der letzten bewohnbaren Orte auf dem Planeten.
Underworld-Regisseur Len Wiseman inszeniert die Neuverfilmung von Philip K. Dicks Kurzgeschichte We Can Remember It For You Wholesale. Während Paul Verhoevens sehr freie Verfilmung 1990 Arnold Schwarzenegger auf den Mars schickte, wo er mit Waffengewalt für die Freiheit der unterdrückten Bevölkerung kämpfte, sorgt sich Wisemans Version vor allem um die Frage nach Quaids Identität.
Fatalerweise versäumten die Drehbuchautoren, aus der Ungewissheit irgendeine Spannung zu destillieren. Das Ganze hätte ein Psychospiel sein sollen, ein Rätselraten um Quaids wahres Ich und die Hintergründe von dessen Vertuschung, die offensichtlich bis in höchste Kreise reicht. Stattdessen werden endlos Verfolgungsjagden aneinander gereiht, die auf Dauer ermüden. Verhoevens Film genoss durch die Mars-Atmosphäre und die daraus resultierenden Strahlenmutanten eine immer gegenwärtige Bedrohungssituation, denn Cohaagen hatte seine Hand stets auf dem Schalter, um der gesamten Bevölkerung die Luft abzudrehen.
Die Bedrohung im Remake bleibt bis zum letzten Akt eine rein theoretische, da schlichtweg unbekannt ist, welche der beiden Seiten im Recht ist. Die einen erzählen dies, die anderen erzählen jenes, und der einzige Anhaltspunkt, den Protagonist und Publikum haben, ist, dass Kate Beckinsale böse kuckt. Auch als klar wird, wie der Hase läuft, fällt es schwer, um ein Australien zu bangen, das in wenigen Jahrzehnten jegliche Identität verloren hat und nur noch als verdrecktes Anhängsel eines ehemaligen Königreichs am anderen Ende der Welt fungiert.
Dabei ist das Design dieser dystopischen Zukunft größtenteils sehr schön gelungen und lässt in vereinzelten, viel zu gehetzten Momenten gar Erinnerungen an Blade Runner wach werden - ebenfalls eine Philip-K-Dick-Verfilmung. Es zeigt allerdings auch, wohin sich Blockbuster-Actionfilme entwickelt haben: weg von handfester, effektiver Gewalt, hin zu keimfreier, überchoreographierter CGI-Glattheit, die wohl nicht einmal die Teenager vom Hocker reißen wird, auf die sie ausgelegt ist.
Len Wisemans Total Recall ist hübsch anzusehen, solange man nicht zu genau über die Mechaniken dieser Welt nachdenkt. Doch leider ist er dabei weder so interessant, noch so spannend, wie er eigentlich sein sollte.
Felix “Flex” Dencker