USA, 2007
Kinostart: 14.02.2008
Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) versucht am Ende des 19. Jahrhunderts Silber zu schürfen und stößt dabei auf Öl. Nur wenige Jahre später zählt er zu den einflussreichsten Geschäftsleuten im florierenden Geschäft um das schwarze Gold. Mit Sohnemann H.W. (Dillon Freasier) im Schlepptau versucht er immer neue Vorkommen zu erschließen und seine machtvolle Position weiter auszubauen. Einem kleinen Drecksnest names Little Boston soll hierbei eine besondere Bedeutung im Leben des Ölmagnaten Plainview zukommen: Nicht nur die Förderung erweist sich als problematisch, auch ein tragischer Unfall und die Schikanen des fanatischen Predigers Eli Sunday (Paul Dano) stellen den rücksichtslosen Despoten vor immer neue Herausforderungen.
Paul Thomas Anderson ist seit jeher ein Garant für anspruchsvolles Us-Kino. Sei es mit der Pornosaga Boogie Nights oder dem gefühlvoll-verkopften Episodendrama Magnolia bis hin zur tragikomischen Liebesromanze Punch-Drunk-Love, allzu einfach machte er es seinem Publikum nie. There Will Be Blood stellt diesbezüglich eine weitere Steigerung dar, denn nicht nur die epische Lauflänge von knapp 160 Minuten wird für viele eine schwer zu bestehende Geduldsprobe darstellen. Der Protagonist taugt nicht zum Sympathieträger, trotz der immensen Spielzeit steckt kaum Handlung in dem Streifen, wo andere Filmemacher klassische Scores verwenden würden, setzt Anderson auf herausfordernde Soundcollagen von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood. Gelingt es jedoch, sich auf das ungewöhnliche Stück Filmkunst einzulassen, bekommt man eine ungeheuer kraftvolle Charakterstudie serviert, die mit all ihrer Leidenschaft durch Mark und Bein geht.
Sein inszenatorisches Meisterstück liefert Anderson bereits mit den ersten 10 Filmminuten ab, die komplett ohne Dialoge auskommen. Gemeinsam mit Greenwoods erwähnt eigenwilliger Filmmusik gelingt es ihm bereits mit diesem Prolog, eine eigentümlich-bedrohliche Stimmung zu generieren, die am ehesten mit jener von David Gordon Greens Undertow zu vergleichen ist. Zusätzlich unterstützt durch die starke Bildsprache erstreckt sie sich ohne nennenswerte Unterbrechungen auf die gesamte Laufzeit und stellt somit den größten Regie-Pluspunkt dar. Andersons Drehbuch nach dem Uptown-Sinclair-Roman “Oil!” wirkt, wohl auch aufgrund der angesprochenen Handlungsarmut, nicht ganz so rund. Als Beispiele seien hier das Auftauchen eines verschollenen Plainview-Bruders oder auch die manchmal ein wenig zu vordergründigen Dialoge angeführt, die in ihrer übertriebenen Markigkeit bisweilen den Eindruck erwecken, als ob sie speziell für die Oscarjury geschrieben worden wären.
Womit wir auch schon bei Daniel Day-Lewis angekommen wären, dem der Goldjunge für seine Glanzleistung wohl kaum zu nehmen sein wird. Mit welcher Inbrunst er seinem Filmmonster Leben einhaucht, erinnert an die allerbesten Tage eines Robert DeNiro. Überlebensgroß lässt er - mit der Ausnahme von Paul Dano, der einem als schlangenhafter Sektierer nachhaltig im Gedächtnis bleibt - das übrige Ensemble verblassen und trägt den Film scheinbar mühelos allein auf seinen Schultern. Das aufbrausende Wesen seiner Filmfigur verkörpert er dabei ebenso glaubhaft wie den ihr innewohnenden, rohen Charme. Von unheilvoller Gänsehaut bis hin zum erheiternden Schmunzeln vermag er beim Publikum eine Vielzahl an Emotionsregungen hervorzurufen und kann damit auch über die eine oder andere Länge hinweghelfen.
Fazit: There Will Be Blood ist düstere Charakterstudie, brutale Erfolgsgeschichte und leidenschaftliches Familienepos in einem. Dank eines Daniel Day-Lewis in Hochform kann das neue Anderson-Werk die hochgesteckten Erwartungen erfüllen und wird damit zum Pflichtprogramm für anspruchsvolle Kinogänger.
Michael “Eminence” Reisner