USA, 2008

What would Bryan Bertino do?

Derzeit scheint nicht viel Platz zu sein zwischen Asia-Remakes, Quoten-Slashern und Folterpornos. Schon gar nicht für Qualität. Regisseur und Drehbuchautor Bryan Bertino versucht nun mit seinem Erstlingswerk aufzuzeigen, dass sich intensiver Schrecken nicht an der Kunstblutmenge messen lässt.
Der Plot ist schnell erzählt: Ein junges Paar (Liv Tyler & Scott Speedman) kehrt mit angeschlagener Beziehung von einer Feier heim. Als sich gerade die Versöhnung anbahnt, klopft es an der Tür. Mit diesem Geräusch beginnt ein Albtraum, der bis zum Morgengrauen anhalten wird.

Diese banale Situation suggeriert gleich den größten Kritikpunkt des Film: Streng genommen bietet The Strangers nichts Neues. Alles, vor allem und einschließlich die Sache mit den maskierten Häschern, war schon da. Dies als Mangel zu betrachten ist jedoch ebenso nahe liegend wie falsch, verfehlt es doch den Kern der Sache: The Strangers kompensiert den Mangel an Innovation mühelos durch seine Intensität.
Schon zu Beginn des Films geht er an die Grenzen dessen, was man dem Publikum zumuten kann, da er der Beziehungskrise, mit der uns die Protagonisten vorgestellt werden, betont viel Zeit lässt. Liv Tyler tut sich hier positiv hervor. Sie darf in dieser ersten halben Stunde mehr schauspielerisches Talent zeigen, als man in der gesamten Herr-der-Ringe-Trilogie zu sehen bekam.

Zyniker mag diese Einführung nerven, für den Film ist sie aber in zweierlei Hinsicht unentbehrlich. Erstens, da die Handlung praktisch keinen Raum für Charakterentwicklung lässt und das Paar gleich zu Beginn so weit wie möglich an den Zuschauer herangeführt werden muss. Zweitens: Zu dem Zeitpunkt, als das erste Klopfen an der Tür ertönt, ist die Stille bereits tief in den Zuschauer eingesickert. Und so schlagen selbst die klassischen Schreckelemente mit ungewohnter Wucht zu.
Die Qualität liegt dabei gerade in der Reduzierung auf das Wesentliche: Ein ganz normales Paar, ein stinknormales Haus, eine anonyme Bedrohung - das hat schon bei Halloween vorzüglich funktioniert und ist hier fast noch effektiver. Was die Tour de Force von banalem Folterhorror unterscheidet, ist, dass die Ausweglosigkeit der Situation nicht durch eine physische Wehrlosigkeit der Opfer etabliert wird. Sie entsteht durch strategische Überlegenheit, nicht durch Fesseln. Auch sind die Figuren sympathischer als die Proleten der Teenie- und Urlaubs-Slasher à la Turistas und Wolf Creek.
Ganz ohne Mängel gehts natürlich nicht. Die True Crime”-Eröffnung mit Hinweis auf den dem Film zugrundeliegenden Vorfall sowie die amerikanische Verbrechensstatistik ist lahm, das Finale zwar stimmig, in seinem Verzicht auf eine Katharsis, den genreüblichen Twist oder wenigstens eine zufrieden stellende Erklärung aber geradezu eine Antiklimax.

The Strangers ist somit keinesfalls perfekt, lässt man sich aber auf die Figuren und deren Dilemma ein, packt er einen bis zum (leider) bitteren Ende. Für alle, die sich einfach mal wieder richtig erschrecken wollen, trotz Einschränkungen eine gute Wahl, die in Sachen Spannung keinesfalls enttäuschen wird.

Tom Maurer