Argentinien / Spanien / Italien 2005, ca 115 min
An einem sommerlichen Morgen in Madrid stehen zwei Konflikte kurz vor dem Ausbruch. Während zehntausende Globalisierungsgegner die Stadt überfluten, um gegen die Machenschaften der Weltbank zu demonstrieren, sitzen 35 Stockwerke weiter oben sieben Topmanager, zwei Frauen und fünf Männer, in einem kleinen Besprechungszimmer. Obwohl sie vom Lärm auf den verstopften Straßen kaum etwas mitbekommen, herrscht im Konferenzraum eine argwöhnische Anspannung vor, denn sie alle sind Bewerber für den gleichen, hochdotierten Posten in diesem Unternehmen.
Womit die Kandidaten nicht gerechnet hatten: Das Unternehmen hat mit der ominösen “Grönlandmethode” seine Freude an der Psychologie entdeckt. Es konfrontiert die Teilnehmer mit diversen fiktiven und ethischen Problemstellungen und beeinflusst die Ergebnisse durch unangenehme Enthüllungen und kleine Demütigungen. Dabei erhalten die Bewerber ihre Instruktionen über Monitore, einzig die süß-selbstbewußte Vorzimmerdame platzt ab und ab herein, um weitere Formulare zu bringen oder Pausen zu verkünden. Sehr schnell scheint es, als würde jedes noch so kleine Detail, jeder gesprochene Satz und jede Regung in die Bewertung einfließen.
Die Regeln sind einfach: Solange man sich im Raum befindet, akzeptiert man das angewandte Verfahren in allen Punkten. Inklusive einer möglichen Überwachung des Gesprächs. Wer mit der Vorgehensweise nicht einverstanden ist, kann jederzeit den Raum verlassen, verliert damit allerdings auch jede Aussicht auf eine Anstellung. Und so werden mit jeder Aufgabe neue menschliche Abgründe offenbar. Denn wie es sich für richtige Karrieregeier gehört, steht eine Niederlage für niemandem zur Debatte.
Es ist nicht weniger als erstaunlich, was der spanische Regisseur Marcelo Piñeyro in diesem vermeintlich engen Rahmen aufzubauen vermag. Die Anspannung der Kandidaten ist geradezu schmerzhaft spürbar, die Raffinesse mit der sie gegeneinander ausgespielt werden, wird mit jeder Szene deutlicher. Dabei schafft das Unternehmen “lediglich” die Vorraussetzungen, letztendlich sind die Teilnehmer stets selbst dafür verantwortlich, welche Argumente bemüht werden, um sich gegenseitig in die Pfanne zu hauen.
Die handwerkliche Inszenierung ist solide und entspricht bis auf die (dank Splitscreen-Optik) etwas nervtötenden ersten Minuten genau den Anforderungen des Films. Die Darsteller können uneingeschränkt überzeugen und verfallen mit ihren Rollen nur sporadisch ins Klischee, wenn es die jeweilige Situation rechtfertigt. Diese Ausbrecher liegen aber stets nah genug am jeweiligen Charakter, um nicht weiter ins Gewicht zu fallen. Dass nebenbei noch ein wenig Kritik an den ethischen Perversionen des Kapitalismus verübt wird, ohne dabei jedoch belehrend zu wirken, ist ein zusätzlicher Bonus, der angesichts der mitreißenden Rücksichtslosigkeiten jedoch angenehm im Hintergrund verbleibt.
Ein brillantes Kammerspiel über das menschliche Grauen des modernen Arbeitsmarktes, voll raffinierter Tricks und intelligenter Wendungen, welches bis zur letzten Sekunde zu fesseln vermag. Ein so einfaches Grundkonzept zu keinem Zeitpunkt langweilig werden zu lassen, stellt wohl die größte Leistung dar, welche auch nicht unterschätzt werden sollte.
Uneingeschränkte Empfehlung für dieses Kleinod.
Tom “Skar” Maurer