USA, GB, Indien, 2006
Kinostart: 12.03.2009

tchaN 1001

Vier Jahre lang arbeitete Tarsem Singh an seinem neuen Film, den er mit eigenem Geld im Schlepptau diverser Musikvideo- und Werbedrehs in 18 Ländern inszenierte. Lee Pace spielt die Hauptrolle des Stuntmans Roy, der im Los Angeles der 1920er Jahre mit gebrochenem Rücken im Krankenhaus liegt und vermutlich nie wieder gehen können wird.
Er macht die Bekanntschaft des Mädchens Alexandria (Catinca Untaru), die für ihn Morphium stibitzt, solange er ihr dafür eine spannende Abenteuergeschichte erzählt.

Was er mit dem Morphium vorhat, gibt der filmischen Realität einen düsteren, fast sinisteren Grundton, der wunderbar mit Alexandrias bunter Fantasiewelt kontrastiert. Diese Szenen, in denen sich Tarsem so richtig austoben kann, sind es, die den Film im Wortsinne sehenswert machen. Die fiktive Jagd nach dem bösen Gouverneur Odious ist nicht sonderlich spannend geraten, doch die Schauplätze, die Kostüme und die konsequent für die große Leinwand angelegte Bildregie sorgen für Staunen. Die Art und Weise, wie Tarsem seine Zuschauer in die Gedankenwelt des kleinen Mädchens entführt, ist zudem recht clever gestaltet, wenn Alexandria einige Formulierungen anders versteht, als sie gemeint sind. Dass dieses Element die deutsche Synchronisation überstehen wird, scheint allerdings fraglich.
Die realen Sequenzen sind im direkten Vergleich natürlich weniger reizvoll. Die Chemie zwischen Pace und Untaru ist perfekt, und schauspielerisch wissen beide zu überraschen. Dennoch nimmt der Zuschauer in diesen grauen, depressiven Szenen schnell Alexandrias Position ein und sehnt sich nach den glorreichen Primärfarben der Abenteuergeschichte. Gelegentlich scheint der Regisseur auch etwas zu verliebt in seine Darsteller gewesen zu sein, denn einige Dialogszenen ziehen sich über Gebühr in die Länge.

The Fall ist großer Erfolg und episches Desaster zugleich. Aus Roys Worten und Alexandrias Fantasie entsteht eine wunderschöne Welt, der die Realität wenig entgegenzusetzen hat. Eine Liebeserklärung an die Unschuld der Kindheit, an die Kraft der Fantasie und nicht zuletzt an die Schönheit selbst.
Einige Längen sind schwer zu leugnen - der eigentliche Plot erscheint beizeiten lediglich wie ein Vehikel, um den Film von einer spektakulären Sequenz zur nächsten zu bringen. Doch obwohl die erzählerischen Ambitionen nicht so erfolgreich umgesetzt wurden wie die visuellen, sollte sich niemand The Fall entgehen lassen. Ob man Tarsem für seinen offensichtlichen Enthusiasmus bewundert oder für seine ebenso offensichtliche Eitelkeit verdammt, eine derart extravagante Bildorgie im Kino zu sehen, ist eine Gelegenheit, die sich nicht oft bietet.

Felix Flex” Dencker