USA, 2001
Margaret Hall (Tilda Swinton) wohnt gemeinsam mit ihren drei Kindern und dem kränklichen Schwiegervater in einem hübschen Anwesen am Lake Tahoe. Als sie entdeckt, dass ihr 17-jähriger Sohn Beau (Jonathan Tucker) eine Beziehung mit Darby Reese (Josh Lucas) hat, dem schmierigen Besitzer einer Schwulenbar in Reno, stellt sie diesen zur Rede, damit er ihren Jungen in Ruhe lässt. Als Reese daraufhin Beau aufsucht, kommt es zu einer Auseinandersetzung, an deren Ende der Teenager seinen Liebhaber am Steg vor dem Haus zurücklässt.
Am nächsten Morgen findet Margaret Reese’ mit einem Anker aufgespießte Leiche am Ufer. Da ihr Sohn mit einem blauen Auge heimkam, glaubt sie, er hätte ihn getötet. Um ihn zu schützen, versenkt sie die Leiche im See. Eine Verzweiflungstat mit Folgen, denn als man den Toten findet, wird Margaret zum Erpressungsopfer. Der mysteriöse Alek Spera (Goran Visnjic) soll 50.000 Dollar eintreiben, oder ein pikantes Video von Beau und Reese geht in die Hände der Polizei.
Das Regie- und Autorenduo Scott McGehee und David Siegel verfilmte Elisabeth Sanxay Holdings Roman “The Blank Wall” als Thrillerdrama, dessen größtes Problem sein unausgeglichenes Zwitterdasein ist.
Natürlich gehört die Prämisse, das vertuschte Opfer eines vermeintlichen Mordes, ebenso wie der darauffolgende Erpressungsplot zu den klassischen Zutaten des Thrillergenres. Doch sind es viel mehr die zwischenmenschlichen Beziehungen als gattungsbedingte Archetypen, die im Mittelpunkt stehen. Die fortwährenden Missverständnisse zwischen Mutter und Sohn, ihr Unvermögen miteinander zu kommunizieren und das wie ein Damoklesschwert über beide schwebende, doch ebenfalls nie ausgesprochene Vertrauensdefizit, bilden die Grundlagen eines innerfamiliären Dramas.
In dessen Zentrum steht eine vereinsamte Frau, deren Ehemann fortwährend auf hoher See arbeitet und sie mit der Verantwortung für drei Kinder und seinen gesundheitlich angeschlagenen Vater alleine lässt. Ihr Alltag ist daher hauptsächlich von Pfichtbewusstsein geprägt, was die wesentliche Gemeinsamkeit mit dem Ganoven Alek darstellt. Da darauf verzichtet wird, ihn als stereotypen Schurken zu zeichnen, ist es zu großen Teilen genau dieses Spannungsfeld zwischen Verpflichtung und Gewissen, das den Reiz von The Deep End ausmacht. Speziell das akzentuierte Spiel Tilda Swintons sei hier lobend erwähnt.
Was dem Film aber leider von vorne bis hinten fehlt, ist eine aus dem Plot generierte Spannung. Selbst in den verzweifeltsten Phasen des Films, in denen die verzwickte Situation der Protagonistin immer auswegloser erscheint, wird das Erzähltempo zumeist noch gedrosselt. Die zu erwartende Konfrontation bleibt gegen Ende zwar nicht aus und mündet in ein befriedigendes Finale, kommt aber zu spät, um die vielen langatmigen Abschnitte zuvor vergessen zu machen.
Fazit: The Deep End überzeugt als Drama und versagt als Thriller. Mit der richtigen Mischung wäre mehr drin gewesen.
Michael “Eminence” Reisner