USA, 2012
Kinostart: 28.07.2012
Eine neue Woche, ein neues Remake. Gerade mal zehn Jahre nach Sam Raimis Spider-Man (die letzte Fortsetzung erschien 2007) bringt Sony Pictures die Neuauflage in die Kinos. Nachdem Raimi sich anderen Dingen zuwandte, übernahm ein Regisseur mit dem schönen Namen Marc Webb die Filmreihe, und da mit Doc Ock und Venom die interessantesten Bösewichter bereits verbraucht waren, entschloss man sich, schon wieder von vorne anzufangen.
Also beginnt The Amazing Spider-Man in der High School, wo der Einzelgänger Peter Parker vom Klassenproll gehänselt wird, bis er durch den Biss einer genmanipulierten Spinne Superkräfte erlangt. Es folgten die bekannten Episoden: Peter braucht einige Versuche, um seine neuen Kräfte unter Kontrolle zu kriegen; sein Kostüm durchläuft einige Stadien, bis es plötzlich aussieht wie in den Comics, und schließlich ringt er mit seinem inneren Schweinehund, bis ihn ein tragischer Vorfall bewegt, seiner Rolle als Held gerecht zu werden - gerade rechtzeitig, um eine große Bedrohung abzuwenden.
Der frischgebackene Held darf sogar von einer Brücke hängende New Yorker retten, die sich
Im Universum des Remakes war Peters verstorbener Vater zu Lebzeiten an den Forschungen beteiligt, denen nicht nur Spidey und sein Gegner ihre Superkräfte verdanken, sondern die offensichtlich auch als Basis für die Fortsetzungen dienen sollen.
Daraus ergeben sich natürlich eine Menge Möglichkeiten, den Figuren neue Facetten zu verleihen, doch diese bleiben größtenteils ungenutzt. Dr. Curt Connors beispielsweise, der im Laufe des Films zu Spideys Gegenspieler wird, war ein Kollege und Freund von Peters Vater. Doch anstatt zwischen Peter und ihm eine komplexe Beziehung aufzubauen, die der Geschichte enorme Dramatik hätte verleihen können, nahmen die Drehbuchautoren eine Abkürzung und handeln das Verhältnis der beiden mit einem klanglosen “Tut mir leid, dass ich mich nie gemeldet habe” ab.
Auch der erste Akt, in dem Parker seine Kräfte erhält, wird so hastig erzählt, als schämten sich die Macher zu Recht dafür, dem Publikum die aufgebackenen Brötchen zum zweiten Mal zu servieren. Zwar sind Ruhepausen nötig, um Tante May und Onkel Ben einzuführen, doch selbst dessen ikonische Mahnung über die Verantwortung, die Macht mit sich bringt, verpufft praktisch ungehört.
Die Darsteller schaffen es ein Stück weit, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Der fast 30-jährige Andrew Garfield bringt Charisma und Schauspieltalent mit, um dem Teenager Peter ein paar neue Facetten abzuringen, auch wenn er vor allem durch seine Robert-Pattinson-Gedächtnisfrisur besticht. Da Peter keine irgendwie geartete Wandlung durchmacht, kann Garfield wenig von seinem Können zeigen, wirkt aber entspannter als der oftmals angestrengt dreinblickende Tobey Maguire und bekam von den Autoren einige gelungene Dialogzeilen in den Mund gelegt.
Emma Stone tritt in die nicht unbedingt gigantischen Fußstapfen Kirsten Dunsts und spielt Peters Flamme Gwen Stacy, die in den Comics wenig mehr zu tun hatte, als vom Green Goblin von einem Dach geworfen zu werden, um Spidey einen Erzfeind zu geben. Dass sie hier zur neuen Mary Jane aufgebaut wird, verdeutlicht die Verbissenheit, mit der die Macher sich von Raimis Filmreihe absetzen wollen, doch Stone überspielt die Unnötigkeit ihrer Figur mit ihrem gewohnten Charme.
Rhys Ifans als Dr. Connors, Martin Sheen als Onkel Ben und Sally Field als Tante May sind allesamt überqualifiziert für das Wenige, was sie zeigen dürfen. Vor allem Ifans gerät zur tragischen Figur, da er durch CGI ersetzt wird, als sein Charakter interessant wird.
Sympathische Darsteller und eine Handvoll gelungener Charaktermomente werden kaum genug sein, um Fans von Sam Raimis Spider-Man-Filmen von der Notwendigkeit des Neustarts überzeugen zu können.
Nichtkenner der letzten Filme bekommen mit The Amazing Spider-Man eine nicht sehr inspiriert erzählte, aber unterhaltsame Comicverfilmung, die die Wartezeit zwischen Marvel’s The Avengers und The Dark Knight Rises etwas zu verkürzen vermag.
Wer Raimis Filme noch in guter Erinnerung hat, wird seiner Lebenszeit ähnlich hinterhertrauern wie dem 3D-Aufschlag.
Felix “Flex” Dencker