Die bisherigen Ergebnisse der Kollaborationen Danny Boyles mit Alex Garland stießen nicht immer auf Zustimmung, doch musste man den beiden Werken The Beach und 28 Days Later zumindest überdurchschnittliche Ambition und Diskussionspotential zugestehen. So stieg die Vorfreude gleichermaßen mit der Erwartungshaltung an die dritte Zusammenarbeit, den im Weltall spielenden Endzeitpsychothriller Sunshine mit jedem der zahlreichen, viel versprechenden Teaser und Trailer. Das Ergebnis ist dabei einmal mehr ein Zwiegespaltenes; sowohl was die Dramaturgie angeht, als auch die filmischen Anleihen betreffend, die kaum mehr als Zitate durchgehen dürften.

Die Ausgangslage des Films, respektive der Menschheit, wird rasch in der kurzen Exposition aus dem Off eingesprochen, bevor Sunshine direkt ins Weltall-Geschehen springt: Die Sonne stirbt, und acht Wissenschaftler auf dem Weg zur Sonne sind die letzte Chance der im Eis versinkenden Erde: Mittels einer direkt in der Sonne platzierten Sprengladung soll selbige wieder entzündet werden. So weit, so Armageddon. Als die Besatzung rund um Physiker Capa (souverän: Cillian Murphy) und Pilotin Cassie (bezaubernd: Rose Byrne) jedoch ein verlassenes Raumschiff entdeckt, das vor sieben Jahren auf der gleichen Mission gescheitert war, treffen sie eine folgenschwere Entscheidung: Sie beschließen, die scheinbar unbeschädigte Bombe der Vorgängermission zu bergen, um eine zweite Chance auf Rettung der Menschheit zu haben. Und ungefähr zu diesem Zeitpunkt glaubt man berechtigterweise, die Event Horizon zu betreten.

Als Filmkritiker, der vielleicht weniger Kritiker und mehr Filmliebhaber ist, wird man von Danny Boyles Sunshine förmlich zerrissen. Innovativ ist die Geschichte sicher nicht, dafür atmosphärisch dicht inszeniert und schlichtweg großartig anzuschauen. Bestehend aus Versatzstücken bekannter Vorbilder, die bis zur Grundthematik von Apocalypse Now reichen, steht die zusammengeklaute Haupthandlung hierbei einer atemberaubenden audiovisuellen Umsetzung gegenüber. Die Bilder der Sonne, auch als Hintergrund des vorüber ziehenden Merkur und im Kontrast zum riesigen Schutzschild der Raumstation, liefern faszinierende Eindrücke, deren Anblick allein das Kinoticket wert ist. Dass diese mit einem progressiv-sphärischen Soundtrack unterlegt wurden, den das durch Trainspotting bekannt gewordenen britische Electronic-Duo Underworld gemeinsam mit Komponist John Murphy produzierte, trägt hier entscheidend zur düster-faszinierenden Grundstimmung bei. Die fabelhafte Bild-Ton-Komposition, die man durchaus in der Tradition Pink Floyd’scher Soundästhetik sehen kann (“The Dark Side of the Moon”), dient hier jedoch nicht nur als schöne Kulisse. Vielmehr projiziert Danny Boyle die Faszination der Sonne direkt auf seine Charaktere, was sich in Sonnenanbetung auf der einen, und fiebertraumartiger Paranoia auf der anderen Seite niederschlägt. So fügt Boyle dem Endzeitszenario um die Erdenrettung eine buchstäblich um die Sonne kreisende psychologische Komponente hinzu, die als famoser Nährboden für ruhig inszenierte, philosophisch anmutende Passagen dient. Dies wird ohne Frage diejenigen Kinogänger vor den Kopf stoßen, die ausschließlich geradlinige SciFi-Action erwarteten.

Dass aus Sunshine keine vollends kopflastige und psychedelische Fantasy-Parabel über sonnennahen Wahnsinn wurde, ist der Wandlung zum konventionellen Horrorthriller im letzten Drittel zu verdanken. Schade ist hierbei, dass dies nicht aus der Geschichte selbst entwickelt wurde, obwohl man es eigentlich ausgiebig vorbereitete, sondern einfach spröde obendrauf gesetzt wurde. So entstand eine Antiklimax, wie sie Drehbuchautor Alex Garland bereits in 28 Days Later zum Stilmittel erhob, und die das Publikum ebenso entzweien dürfte.

In Summe schufen Danny Boyle und Alex Garland auch bei ihrer dritten Zusammenarbeit ein diskussionswürdiges Werk von seltsamer Faszination, das sich aus dramaturgischer Sicht letzten Endes etwas zu holprig aus der Affäre zieht. Dies als einzig fragwürdiger Aspekt wiegt jedoch nicht schwer genug, um gegen die grandiose formale Umsetzung, den philosophischen Ansatz und ordentlichen Unterhaltungslevel anzukommen. So ist Sunshine eindeutig die Empfehlung für den Kino-April!

Christian Simon