USA, 2007
Kinostart: 01.05.2007
Sam Raimi hat es nicht einfach. 2002 brachte er mit Spider-Man eine regelrechte Sensation in die Kinos. Nachdem der Film, der bis zum Zusammenbruch des Studios Carolco noch von James Cameron inszeniert werden sollte, viele Jahre in der Vorproduktionshölle geschmort hatte, waren die Erwartungen der Fans fast unbeschreiblich hoch - und das Ergebnis übertraf selbst die größten Hoffnungen. 2004 schaffte er mit Spider-Man 2 das Unmögliche: er ließ den ersten Leinwandauftritt des Netzschwingers in jeder Beziehung hinter sich und lieferte erneut ein atemberaubendes Fest für alle Fans ab, sowohl die der Comicvorlage als auch die des Actionkinos an sich.
Nun, 2007, hat Raimi erneut mit nahezu unerreichbaren Ansprüchen von Seiten der Fans zu tun. Nachdem bekannt wurde, dass Spidey an niemanden geringeren als Venom geraten würde, war kein Halten mehr. Wenn die Erwartungen so exorbitant sind, kann das Ergebnis eigentlich nur in einer maßlosen Enttäuschung enden. Oder..?
Unserem Lieblings-Superhelden jedenfalls geht es gut: Er bekommt sein Privatleben und seine geheime Identität als Spider-Man langsam koordiniert, ist mit seiner Traumfrau zusammen und die Leute lieben ihn. Nach einem plauschigen Stelldichein mit Mary Jane ergreift eine geheimnisvolle schwarze Substanz von seinem Kostüm Besitz und verleiht Peter ungeahnte Kräfte. Fortan ist er nicht mehr der selbe. Aggressiv, rachsüchtig, rücksichtslos, droht er all diejenigen zu verlieren, die ihm etwas bedeuten.
Während er mit dem Bösen in sich selbst ringt, schicken sich gleich mehrere Superschurken an, dem Bösen in ihnen freien Lauf zu lassen.
Ok, die schlechte Nachricht zuerst: Die erhoffte, erneute Steigerung blieb aus. Sam Raimi und sein Bruder Ivan, die gemeinsam das Drehbuch schrieben, wollten zu viel auf einmal. Zu viele Superschurken, zu viele Handlungsstränge, zu viele Probleme ringen miteinander um die Vorherrschaft auf der Leinwand. Während einige Plot-Übergänge geradezu genial gelöst wurden, greifen andere auf Dei Ex Machinas zurück und/oder bleiben unplausibel. So wirkt das Treiben schonmal arg gehetzt und insgesamt einfach nicht so rund wie der praktisch makellose zweite Teil.
Beinharte Fans dürften sich nicht wenig an der Geschichtsfälschung stoßen, die hier betrieben wurde. Natürlich war es aus vielerlei Gründen unmöglich, den galaktischen Wettstreit zu organisieren, der Spidey in den Comics sein schwarzes Kostüm verschaffte, doch das Einführen von Gwen Stacy war sicherlich unnötig. Diese war in der Vorlage Peters erste Freundin, die ihrerzeit vom grünen Kobold getötet wurde, Jahre bevor Mary Jane auf der Bildfläche auftauchte.
Hier wird sie nun zum emotionalen Spielball zwischen Spidey, in den sie sich verkuckt hat, und Brock, der wiederum von ihr angetan ist. Dass Stacy somit auch im Film zu einem reinen Plot-Katalysator verkommt und dazu von Bryce Dallas Howard äußerst bezaubernd dargestellt wird, dürfte die Puristen wieder versöhnlich stimmen.
Weniger erfreuen dürfte hingegen das vergleichsweise kurze Abhandeln des Schurken, dessen Auftritt nun schon seit Jahren entgegengefiebert wurde: Venom. Topher Grace’ Schauspiel ist es zu verdanken, dass Peter Parkers Erzfeind Eddie Brock so viel Tiefe erlangt, doch hätte er ohne Zweifel einen eigenen Film verdient.
Sandman Flint Marco dagegen bekommt überraschend viel Zeit zugesprochen und kann mit einer emotionalen Dichte punkten, die man auf Grund der Paarung mit dem ungleich populäreren Venom nicht unbedingt erwartet hätte. Beim Finale schrammelt er zwar haarscharf am Pathos vorbei, wird von Thomas Hayden Church jedoch erwartungsgemäß wunderbar im Zaum gehalten. Church besitzt nicht nur das Charisma und die darstellerischen Fähigkeiten, die stets ambivalente Figur vor der Zweidimensionalität zu bewahren, sondern auch die körperliche Präsenz, um Spider-Man einen ebenbürtigen Gegner abzugeben.
Womit wir dann auch beim Positiven wären: Wenn es kracht, dann richtig. Trotz der Charaktermomente mit der besorgten Tante May, der unentschlossenen Mary Jane, dem verwirrten Peter oder dem neidischen Eddie Brock bietet Spider-Man 3 vor allem eins: Action vom Allerfeinsten. Rasant inszeniert, perfekt choreographiert und mit so viel Oomph, dass jeder Stahlträger wirklich weh tut, den irgendwer vor den Latz geknallt bekommt.
Sam Raimi mag auf Drehbuchseite ein paar Abkürzungen genommen haben, bei der Regie jedoch patzt er ebenso wenig wie bei der Schauspielführung. Dass Kirsten Dunst von jeder gelben Ampel an die Wand gespielt wird, ist nichts neues und bleibt dahingehend auch der einzige Aussetzer. Somit sei nur noch die Musik von Christopher Young erwähnt, die das Finale etwas zuschmiert, bis dahin aber den Puls des Zuschauers angenehm auf Trab hält.
Und mehr soll an dieser Stelle auch nicht vorweggenommen werden. Spider-Man 3 mag mit seinem gottgleichen Vorgänger nicht ganz Schritt halten können, bietet ungeachtet dessen jedoch packendes, unterhaltsames Actionkino, das sich vor den anrollenden Blockbustern alles andere als verstecken muss.
Ein toller Start in den Kinosommer.
Felix “Flex” Dencker