USA, 2010
Kinostart: 11.11.2010
Lost in Ennui
“He can sink a movie faster than Stephen Dorff.”
Dieser abschätzige Kommentar aus der Hollywood-Sitcom Entourage ist erst einige Jahre her, Dorff spielte gerade die dritte Hauptrolle ins Uwe Bolls Alone in the Dark. Nun gibt er in Somewhere eine Variante seiner selbst. In einer Welt, in der die Heuler, die seine Karriere zetiweilig vereisen ließen, wenigstens halbwegs gut liefen.
Sein Johnny Marco lebt im legendären Hollywood-Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard in den Tag hinein. Die Parallelen zu Bildy Wilders gleichnamiger Nabelschau der Traumfabrik sind offensichtlich. Auch hier zeigt sich hinter den Illusionen ein leeres und einsames Leben, dem aber im Falle von Somewhere jede Tragik oder Dramatik abgeht.
Marco hängt mit seinen Freunden ab oder eben mit seiner bei der Mutter lebenden, frühreifen Tochter (exzellent: Elle Fanning), konsumiert Stripperinnen oder Groupies und fährt gerne mit seinem schwarzen Ferrari im Kreis herum.
Dieses etwas trashig angehauchte Nichts durchzieht den ganzen Film; der Zuschauer muss mehrere Choreographien in voller Länge über sich ergehen lassen: den Eiskunsttanz der Tochter, einen bezahlten Musikanten und natürlich die Zwillingsstripperinnen.
Es ist klar, worum es Regisseurin Sofia Coppola dabei geht. Der Song aus dem billigen Ghettoblaster kann nie das Quietschen der Haut auf den Stangen übertönen. Auch hier wird der schöne Schein desavouiert. Auch in anderen Szenen ist die Herangehensweise der laaangen Einstellungen fruchtbar. Wenn Marco sich für eine Maske den Kopf eingipsen lassen muss, lässt die Minute, die die Kamera auf den atmenden Klumpen verharrt, den Zuschauer die Beklemmung nachempfinden, die der Charakter gerade erfährt.
In einer ganz anderen zentralen Szene hat das Verfahren eine ungewollt heitere Note: Als Dorff in Echtzeit eine Zigarette raucht, kommt einmal mehr ein Gefühl der Leere und Langeweile auf, einer gediegenen Langeweile, denn er sitzt in einer schönen Hotelsuite. Aber die handlungsarme Szene garantiert auch, dass der Zuschauer auf keinen Fall das überdeutlich ins Bild baumelnde Mikrofon verpasst. So probiert Coppola viele verschiedene Metaphern aus, die mal mehr oder weniger gut ihren Gegenstand einfangen.
Und es ist auch sehr wahrscheinlich, dass ein Preisregen auf diesen Film niedergehen wird, da Hollywood bekanntermaßen nichts so sehr liebt wie sich selbst. Doch muss man auch konstatieren, dass dem Film ebenso Substanz fehlt wie der Figur selbst.
Die eigentliche Geschichte ist letztendlich ein Neuaufguss von Lost in Translation, eine zum Großteil im Hotel spielende Vater-Tochter-Geschichte, deren Isolation durch eine fremde, exotische Umgebung (hier: eine Preisverleihung in Italien) noch verstärkt wird.
Ob man diesen dünnen Plot als Plus des Films wertet, da er mehr Raum zur emotionalen Involviertheit lässt und mehr auf Mitempfinden und hypnotische Wirkung setzt denn auf Erzählen, oder eben als Zeichen für die Mittelmäßigkeit des Film, wird der Zuschauer selbst entscheiden müssen.
Sven Ole ‘Leisure Lorence’ Lorenzen