Originaltitel: Il y a longtemps que je t’aime
Frankreich, 2007
Kinostart: 13.11.2008
Nach 15 Jahren im Gefängnis kehrt die ehemalige Ärztin Juliette in den Schoß ihrer Familie zurück. Ihre Schwester Léa nimmt sie warmherzig auf, ihr Mann Luc gibt sich jedoch reserviert. Während die verschlossene Juliette sich einen Job als Sekretärin sucht und im Freundeskreis von Léa und Luc Fuß fasst, versucht Léa, sich ihr wieder anzunähern.
So entspinnt sich ein leises Charakterdrama, zurückhaltend gespielt und gefühlvoll in Szene gesetzt. Phillipe Claudel, der sein Erstlingswerk schrieb und inszenierte, bemühte sich augenscheinlich, die Geschichte nicht ins Melodramatische abrutschen zu lassen und erzählte sie so fragmentarisch, als wolle er dem Zuschauer nur stichprobenartige Einblicke in den Selbstfindungsprozess geben. Kristin Scott Thomas tut es ihm nach und spielt die gesellschaftlich ausgestoßene Juliette mit der Zurückhaltung einer Frau, die ihr Geheimnis niemandem beichten kann.
Schade, dass die Pointe den gesamten Film im Nachhinein völlig unsinnig macht. 90 Minuten lang erscheint der Film wie das sensible Portrait einer Frau, deren Leben von Schuld bestimmt wird und die niemanden um Vergebung bitten kann. Wird ihre Schwester ihr jemals wieder vertrauen? Werden Léas Kinder jemals die Wahrheit über Tante Juliette erfahren? Und wird Juliette sich jemals selbst vergeben können?
All diese Fragen werden auf einen Schlag völlig belanglos, da die finale Wendung nicht nur einen sehr dubiosen Blick auf die französische Rechtsprechung wirft, sondern auch die Basis sämtlicher Charakterentwicklungen des Films verpuffen lässt. Und welchen Wert hat ein Charakterdrama über Schuld und Vergebung, wenn am Ende doch alles ganz anders gewesen ist?
Eben.
Felix “Flex” Dencker