USA, 2006
Kinostart: 08.02.2007
Die menschliche Komödie
Dies ist die Geschichte von Harold Crick (Will Ferrell) und seiner Armbanduhr. Die Armbanduhr bestimmt Harolds Leben. Nach ihrem Rhythmus bewegt sich der einsam lebende Finanzbeamte durchs Leben.
Doch auch sonst unterwirft er sich eigenwilligen Verhaltensmustern. Mit der Präzision und Hingabe eines von Zwangsneurosen geplagten Menschen zählt er die Kreise, die er beim Zähneputzen dreht, genauso wie die Schritte, die er zur Bushaltestelle hinter sich bringt. Jeder Tag gleicht dem anderen und da nur wenige exakt koordinierte Pausen seinen Arbeitstag unterbrechen, findet er genügend Zeit, sich als Mathematiktalent zu beweisen und seinen Kollegen auch noch die schwersten Berechnungen mittels simpler Kopfrechnung aufzuschlüsseln.
Dieses einsame Leben wird jedoch eines Tages auf einschneidende Weise gestört…in Form einer weiblichen Stimme, die sich offenbar nur im Kopf von Harold Crick zu befinden scheint. Wovon der gestörte zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ist die Arbeit der Schriftstellerin Karen Eiffel (Emma Thompson). Diese arbeitet seit knapp 10 Jahren an ihrem neuesten Roman: „Death and Taxes“. In diesem ist der Hauptcharakter ein einsamer Mann, namens Harold Crick, der ebenso dazu neigt, die Kreise seiner Zahnbürste zu zählen.
In der Post-Kaufman-Kinowelt hat sich der Zuseher bereits an einiges gewöhnt. Menschen, deren Hirne Portale zum ewigen Leben darstellen, Autoren die sich in ihre eigenen Filme hineinschreiben und Liebende, die per monströser Apparatur die Gedanken an ihre Verflossenen tilgen. Dies alles stammt aus der Feder Charlie Kaufmans und Dank ihm konnte sein Freund David O. Russell auch seinen Philosophie-Baukasten „I Heart Huckabees“ auf die Menschheit loslassen. Es war dann auch nur eine Frage der Zeit, wann jemand, der nicht zum engsten Freundes- und Bekanntenkreis Charlie Kaufmans und Spike Jonzes zählt, seine verschrobene Vision der Welt gebiert. Diesen Auftrag übernahm der Theaterautor Zach Helm, der mit „Schräger als Fiktion“ seinen eigenwilligen Kinoeinstand feiert.
Sein Drehbuch ist voll von unkonventionellen Ideen, die sich allerdings beinahe alle innerhalb der ersten 20 Minuten zutragen. Die Einführung der Charaktere, dabei vor allem Harold Crick und Karen Eiffel, geschieht bei Helm über Eigenarten, die diese Charaktere im Verlauf der Geschichte allerdings nur mehr als verblassende Schatten anhaften.
Der Schwerpunkt von Schräger als Fiktion liegt in der Weiterentwicklung seiner Figuren. Deshalb verläuft die erste Begegnung Harold Cricks mit der Anarchisten-Bäckerin Ana Pascal (Maggie Gyllenhaal) zunächst recht stürmisch, um sich bereits nach wenigen Augenblicken in den Dienst der forterzählenden Geschichte zu stellen. Denn natürlich führt die Stimme in Harolds Kopf diesen zu einigen Sinnfragen über seine Existenz, spätestens als sie ihm mitteilt, er werde schon bald sterben. Jetzt heißt es handeln und aus diesem Grund wendet er sich an den verschrobenen Literaturprofessor Jules Hibert (Dustin Hoffman). Dieser erkennt im Auftritt Anas einen klaren Hinweis auf eine romantische Beziehung, die sich aufbaut, doch ob sich dies bewahrheitet, liegt nicht nur an der Initiative Harolds, sondern auch an den Gedankengängen Karen Eiffels.
Regisseur Marc Forster wagt sich nach seinem oscarnominierten Melodram Wenn Träume fliegen lernen und dem kaum beachteten Thriller Stay an eine Komödie mit Tiefgang. Seine visuellen Spielereien mögen zu Beginn genau das nötige Flair versprühen, verpuffen allerdings genauso schnell wie die Energie des Drehbuchs. Was folgt, ist eine von sympathischen Figuren getragene Sinnsuch-Komödie, die niemals die Absurdität oder den Tiefgang der als Vorbild ausgerufenen Werke eines Charlie Kaufman erreichen. Während Will Ferrel zum zweiten Mal — nach Winter Passing — beweist, dass er auch in ruhigeren Rollen schauspielerisches Können zeigen kann, ist es Emma Thompson, die das Klischee der exzentrischen Schriftstellerin bis an den Rand der Parodie ausreizt und immer wieder mit Leben erfüllt. Dagegen nehmen sich ein betont schrulliger Dustin Hoffman und die resolute Maggie Gyllenhaal geradezu blass aus, von einer kaum sichtbaren Queen Latifah ganz zu schweigen.
Es sind die Darsteller, die dem Geschehen Sympathie und Charme verleihen, durch welchen das Publikum bis am Ende die Geschichte mitverfolgt und gar mitfiebert. Da mag Marc Forster nach einem furiosen Auftakt nichts mehr zur visuellen Auflösung einfallen und das Drehbuch Zach Helms im letzten Akt geradezu zu einer Persiflage seiner selbst werden. Schräger als Fiktion bleibt dennoch sympathische Unterhaltung, die allerdings das Versprechen nach etwas Größerem in sich trägt.
Patrick Dorner