Großbritannien, 2006
Kinostart: 21.09.2006
Im September 2001 reisen vier junge Engländer pakistanischer Abstammung zur Hochzeit des einen nach Pakistan, wo sie zu Beginn der Bombardierung Afghanistans beschließen, dem Aufruf des Imam der pakistanischen Moschee zu folgen und im Nachbarland humanitäre Hilfe zu leisten. Nach beschwerlicher Reise fallen sie dort in die Hände der Nordallianz und landen, nachdem einer von ihnen verloren ging, zunächst im Gefängnis und schließlich bei den einmarschierten Us-Truppen, die sie als vermeintliche Terroristen ins Gefangenenlager auf Guantánamo Bay verschiffen.
Dies ist die Geschichte der “Tipton Three”, erzählt aus ihrer Sicht, mit den Regisseuren Michael Winterbottom und Mat Whitecross als im Nachhinein agierende Anwälte, die ihren Klienten die Stimme verleihen, die diesen jahrelang verweigert wurde. Heraus kam dabei eine Montage aus Nachrichtenschnipseln, nachgestellten Spielszenen und Interviews mit den Dreien; Eine geschickt montierte, allerdings wenig subtile und beabsichtigt subjektive Dokumentation, die nur ein Ziel verfolgt: Drei der Menschen zu Wort kommen zu lassen, von denen George W. Bush im Fernsehen kollektiv behauptete: “All I know is that these are bad people.” (“Alles was ich weiß, ist, dass dies böse Menschen sind.”)
Dabei ist die Geschichte der Tipton Three nicht unumstritten: Viele meldeten Zweifel an, dass das Leisten humanitärer Hilfe ihr einziger Beweggrund war, nach Afghanistan zu reisen. Dies allein schien als Rechtfertigung zu dünn und zu wenig glaubwürdig. Michael Winterbottom sprach in Interviews auch von einer jugendlichen Abenteuerlust, die Asif, Ruhel, Shafiq und Monir vielleicht dazu bewog über die Grenze zu reisen. Und nach den vielen Einspielungen, die die Betroffenen als normale junge Erwachsene darstellen, verfehlen die teilweise surreal wirkenden Folterszenen ihre Wirkung beileibe nicht: Das sind keine Terroristen, sondern Ottonormalbürger, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Dauerbeschallung mit Metal-Musik in Camp Delta, über Monate reichende Verbote zu sprechen, aufzustehen oder nur den Blick zu heben in Camp X-Ray - Zugeschlagen wird nur selten, denn hier arbeiten neue Methoden der Folter. Somit steht Guantánamo Bay als menschenrechtliches Unding inmitten einer Politik, die sich eben jenes Menschenrecht auf die Flagge schreibt: Jemanden ohne Anklage jahrelang einzupferchen, zu foltern und zu Falschaussagen zwingen, ohne ihm die Chance auf gerichtliche Verteidigung einzuräumen - Darüber muss nicht diskutiert werden, so etwas hat in einer Demokratie schlicht und ergreifend nichts verloren.
Im Darstellen dieser Ungerechtigkeit zeigt sich The Road To Guantanamo am wirkungsvollsten - Und damit stellt sich für den Film auch nicht die Frage, was die vier überhaupt dazu bewog, im September 2001 nach Afghanistan zu reisen. Es geht dem Film nicht um objektive Berichterstattung oder das Abwägen des Für und Wieder solcher Einrichtungen. Auch nicht darum, ob die wenigen Festnahmen der tatsächlichen Verbrecher vom 11. September die vielen ohne Anklage Festgehaltenen und von Us-Soldaten gefolterten Normalbürger rechtfertigen. Hier geht es um die Geschichte von drei Unschuldigen, die unter die Räder der Us-Politik gerieten.
Christian “vogel” Simon