Originaltitel: The Lookout
USA, 2007
Seit einem tragischen Verkehrsunfall, der zwei seiner Freunde das Leben kostete, ist der junge Chris (Joseph Gordon-Levitt) nur noch ein Schatten seiner selbst. Die schwere Kopfverletzung, welche er in jener Nacht erlitt, raubt ihm die Fähigkeit, alltägliche Abläufe oder Gedankenfolgen zu bewältigen. Regelmäßig verliert er den Faden, von einem Moment auf den nächsten vergisst er Worte, Termine, ganze Erinnerungsbrocken. Unfähig einen normalen Alltag zu meistern, fristet er sein freudloses Dasein in einer sozialen Wohngemeinschaft mit dem älteren, blinden Lewis (Jeff Daniels). Tagsüber geht Chris zur Therapie, nachts putzt er in einer kleinen Bank. Ab und an fährt er hinaus zur Unfallstelle, um sich an den Moment zu erinnern, der alles veränderte.
Eines Abends lernt Chris in einer Bar den charismatischen Gary kennen, der ihn rasch unter seine Fittiche nimmt. Unterstützt von dessen selbstbewusstem Auftreten lässt auch eine Freundin für Chris nicht lange auf sich warten. Bald jedoch erweist sich der Argwohn des guten Lewis, der Chris’ Wandlung zum gefragten Kerl argwöhnisch verfolgt, als berechtigt. Gary plant eine Bank zu überfallen, und Chris spielt in diesem Vorhaben eine zentrale Rolle.
So unspektakulär die Grundidee auch klingen mag: The Lookout ist ein Meisterwerk, wundervoll erzählt und inszeniert. Drehbuchautor Scott Frank (Out of Sight, Schnappt Shorty) verzichtete bei seinem Regiedebüt auf unnötige Action bzw. Gewalt und konzentrierte sich stattdessen auf die Figuren, mit grandiosem Ergebnis.
Selten sieht man Charaktere, die zu jeder Sekunde, bei jedem Satz und jeder Geste uneingeschränkt überzeugen. Umso erfreulicher ist es zu erleben, wie der gesamte Film dadurch an Charme und Glaubwürdigkeit gewinnt. Hier stimmt einfach alles: Timing, Tonfall und Stimmung. Viele der Szenen kommen mit wenigen Worten aus, ohne an Wirkung einzubüßen. Den übrigen merkt man stets die Ehrlichkeit und Freude am Erzählen an, welche die größte Stärke des Films darstellt.
Dabei kommt die Inszenierung fast ohne visuelle Experimente aus. Frank beschränkt sich auf einige symbolträchtige Einstellungen, erspart dem Zuschauer aber unnötige Spielereien. Auch der Soundtrack ist unter “ferner liefen” zu verbuchen und drängt sich nicht in den Vordergrund. Zwar dauert es ziemlich lange, bis der Plot wirklich in die Gänge kommt, angesichts der effektiven Erzählweise stört dieser Aspekt jedoch nicht weiter.
Dies ist in erster Linie dem exzellenten Drehbuch zuzuschreiben, jedoch darf die Leistung der Darsteller nicht unterschätzt werden. Besonders Jeff Daniel haucht seiner Figur derart viel Leben ein, dass man ihn praktisch augenblicklich in Herz schließt. Allein die Szenen mit ihm sind den Eintritt wert. Joseph Gordon-Levitt seinerseits hat viel Gelegenheit, seiner bereits in Brick bewährten Coolness einen anderen Anstrich zu verpassen und sein Repertoire um diverse Facetten zu erweitern. Er trägt den Film mit einer Souveränität, die nichts vermissen lässt. Auch die übrigen Darsteller fallen - wenn überhaupt - nur angenehm auf. Die wenigen archetypischen Figuren (wie der spukige Killer “Bone”) spielen nur am Rande eine Rolle und fallen nicht störend aus dem Rahmen.
Alles in allem ist The Lookout so gut geraten, dass ich mich am liebsten in der Fußgängerzone auf einen Bierkasten stellen würde um ihn öffentlich anzupreisen. Erzählkino auf höchstem Niveau - ein ruhiger Thriller, dem man zumindest auf Dvd/Hd eine Chance geben sollte.
Uneingeschränkte Empfehlung.
Tom “Skar” Maurer