Originaltitel: Hoodwinked
Kinostart: 28.12.2006
“Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute - wenn auch vielleicht im Gefängnis.” Da Märchen fast immer von Verbrechen und kriminellen Genies erzählen, fragt sich, warum eigentlich vor dem Happy End nie die Märchenpolizei auftaucht.
Die Rotkäppchen-Verschwörung spielt mit diesem Gedanken. In der Tradition von Shrek, gemischt mit Die üblichen Verdächtigen rollt die Satire die mysteriösen Ereignisse rund um ein gar nicht so unschuldiges Mädchen, einen gar nicht so bösen Wolf und eine gar nicht so gebrechliche Großmutter auf.
Die Neu-Aufbereitung von Märchen war schon im erst kürzlich vergangenen Zeichentrick-Zeitalter sehr beliebt - die Stoffe sind nun mal kostenloses Allgemeingut. Die Reihe von geistlosen Adaptionen wird sich jedoch auch im CGI-Bereich fortsetzen.
Die Rotkäppchen-Verschwörung wurde von den Brüdern Cory und Todd Edwards dagegen nicht billig gemacht, sondern nur billig animiert: Mit 15 Millionen Dollar, einem Bruchteil des Shrek-Budgets, sehen die Figuren kaum detailgetreuer aus als Handpuppen. Der Fokus liegt in diesem Komik-Krimi der neu gegründeten “Kanbar Animation Studios” aber nicht auf Fotorealismus, sondern auf einer respektlosen Story jenseits der Formelhaftigkeit eines Nachmittags-Cartoons.
Durch die Abkehr von tricktechnischer Angeberei zurück zu mehr Substanz und bissigem Witz setzt Die Rotkäppchen-Verschwörung ein Zeichen gegen den aktuellen Einheitsbrei computeranimierter Filme. Das Anarcho-Märchen bietet nämlich das Kontrastprogramm zu allen kurzweiligen Tier-Parabeln des letzten Kinojahres.
Der Animationsstreifen war zwar bereits 2005 in den USA zu sehen, hat aber mit seinem unverfrorenen Zugang im besten Fall einen verfolgenswerten Impuls gesetzt. Hoffentlich aber nicht in der Hinsicht, dass in nächster Zeit von jedem Studio Märchen-Satiren en masse produziert werden, sondern, dass die Filmemacher wieder auf eigene Kreativität zurückgreifen.
Die Rotkäppchen-Verschwörung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber keineswegs die neue CGI-Offenbarung. Die Edwards-Brüder haben von Shrek 2 nichts gelernt und packen nun selbst die Popkultur-Bibel aus, um allseits bekannte Filmzitate vorzubeten. Da diese Referenzen aber nicht aufdringlich oder überpräsent sind, stört ihre Zwecklosigkeit nur nebenbei. Der Eigenhumor der Komödie verlässt sich zwar auf so manche verbrauchte Pointe, unterhält aber insgesamt herrlich durch gelungene Nebenfiguren wie ein hyper-hyperaktives Eichhörnchen oder einen Schnitzel-Verkäufer mit Schauspieler-Allüren.
Im Original spricht James Belushi den axtschwingenden Bayern-Buben und reiht sich in eine illustre Sprecher-Riege ein. Demgegenüber brauchen sich die deutschen Sprecher einmal nicht zu schämen: Max Raabe übernimmt den Gentleman-Part von David Ogden Stiers als Froschdetektiv Nicky Flippers, Jan Delay darf als Japeth der Ziegenbock vor sich hinjodeln und Hans Werner Olm ersetzt gar Glenn Close als Granny.
Die Rotkäppchen-Verschwörung wird dadurch selbst in der deutschen Fassung zu einem unbändigen Spaß, bei dem jedoch nicht alle Pointen zünden wollen und die Filmzitate vollkommen unnötig sind. Aufgrund der Respektlosigkeit gegenüber dem Märchenstoff, die sogar soweit geht, dass die Schlussmoral ausgespart bleibt, können sich Jung wie Alt diese Weihnachten ausnahmsweise Unterhaltung ganz ohne Kitsch gönnen.
Markus “Marv” Grundtner