USA, 2006
Kinostart: 13.07.2006
Remakewelle
In Wolfgang Petersens Poseidon treffen gleich zwei aktuelle Hollywood-Trends aufeinander: Das Recyclen alter Ideen und die wiederentdeckte Lust am Katastrophenfilm.
Und viel hat sich nicht geändert, seit Ronald Neame 1972 erstmals Die Höllenfahrt der Poseidon auf die Leinwand brachte. Wieder erfasst eine monströse Welle ein Kreuzfahrtschiff, so dass sich alsbald der Kiel im Mondlicht spiegelt. Und wieder findet sich ein kleines Trüppchen zusammen, um einen Ausgang zu suchen, während der Rest trotzig auf sein Ende wartet.
Diesmal besteht die illustre Runde aus dem ausgebufften Kartenspieler Dylan Johns (Josh Lucas), dem depressiven Schwulen Richard Nelson (Richard Dreyfus), dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister und Feuerwehrmann Robert Ramsey (Kurt Russel), seiner Tochter Jennifer (Emmy Rossum), ihrem Freund Christian (Mike Vogel) sowie der blinden Passagierin Elena (Mia Maestro). Die Figuren näher zu beschreiben, ist kaum möglich, denn sie erlangen nicht mehr Tiefe als die Planschbecken, in denen die Realszenen vermutlich gedreht wurden. Dylan ist ein Einzelgänger, der nur an sich denkt, Robert hat was gegen Christian, somit sind deren Entwicklungen leicht zu erraten. Die anderen besitzen keine nennenswerten Charaktereigenschaften, die sich in irgendeine Richtung entwickeln könnten. Es gibt ein paar kurze Alibi-Gespräche, doch sind diese durch die Bank kürzer als bei der Konkurrenz, beispielsweise The Core oder Deep Impact, wo immer wieder pausiert wird, um die Protagonisten über ihre Lage oder die Entscheidungen, die sie an diesen Punkt in ihrem Leben gebracht haben, sinnieren zu lassen. Die längste Pause, die Petersen einlegt, ist die Warterei auf eine Druckschleuse, die sich mit Wasser füllt.
Obwohl der Film das Original nicht 1:1 nacherzählt, sondern neue Figuren in die altbekannte Situation verfrachtet, gibt es einen Haufen bekannte Szenen. Da wäre der Luftschacht, in dem das Wasser steigt, die wackelige Brücke, ohne die kein Katastrophenfilm auskommen darf, und einen Shelley-Winters-Gedächtnistauchgang gibt’s obendrein. So nett es sein mag, diese Momente mit zeitgemäßen Produktionswerten neu serviert zu bekommen, so banal ist es letztlich auch. Neben ein paar kleinen Überraschungen bleibt leicht vorherzusehen, wer überleben wird, und wer das Original kennt, weiß ohnehin ziemlich genau, wie das Ganze ausgehen wird.
Wer ein bisschen leicht verdaulichen Nervenkitzel erleben will, ohne groß nachdenken zu müssen, dem kann ich Poseidon ans Herz legen. Für Fans des Originals wird es ein weniger spannendes Erlebnis werden, daher dürfte der Kauf der Kinokarte mit dem Bedürfnis stehen und fallen, die lieb gewonnene Geschichte im neuen Glanz erstrahlen zu sehen.
Felix “Flex” Dencker