Originaltitel: Orphan
USA, 2009
Evil Esther
Das Familienglück von Kate (Vera Farmiga) und John (Peter Sarsgaard) scheint nach außen hin perfekt. Doch wollten die beiden ursprünglich noch ein Geschwisterchen für ihre Kinder Max (Aryana Engineer) und Daniel (Jimmy Bennett), was eine traumatische Fehlgeburt jedoch verhinderte. Ein Adoptivkind soll die Lücke füllen, und in einem Waisenhaus wird das Ehepaar auch rasch fündig: Die neunjährige Außenseiterin Esther (Isabelle Fuhrman), blitzgescheit, talentiert und wohlerzogen, soll fortan den Haushalt der Colemans als eine der Ihren bereichern. Ist anfangs noch alles eitel Wonne, häufen sich in Esthers Nähe seltsame Zwischenfälle. Während John eine Beteiligung der engelsgesichtigen Neo-Tochter ausschließt, läuten bei Kate die Alarmglocken, vor allem weil sie auch ihre leiblichen Kinder zunehmend in Gefahr sieht.
Böse Kinder sind aus dem Horrorgenre kaum noch wegzudenken: Manchmal sind sie noch nicht einmal auf der Welt und machen schon Ärger (Rosemaries Baby, The Unborn) oder sind von Dämonen besessen (Der Exorzist, Stigmata), ab und an sind sie auch einfach nur böse (Kinder des Zorns, Them). Was hinter dem süßen Lächeln Esthers in Orphan steckt, ist der große Clou des Films - und zugegebenermaßen nicht einmal der schlechteste. Die Auflösung mag zwar abwegig sein, aber sie schließt die Handlung schlüssig und einigermaßen rund ab.
Dazwischen muss man aber doch über so einige Logiklöcher und Unnötigkeiten in David Johnsons Drehbuch hinwegsehen, auch die Laufzeit von 123 Minuten ist mit Sicherheit ein wenig zu großzügig bemessen. Zudem hätte man sich das ebenso obligatorische wie unnütze doppelte Ende getrost sparen können. Aber: Größtenteils ist der überwiegend unblutige Grusler wirklich sehenswert. Das liegt einerseits an der sauberen Regie des Spaniers Jaume Collet-Serra (House of Wax) inklusive gelungener Kameraarbeit von Jeff Cutter (Spiel auf Bewährung), der klassische Gattungsbildsprache mit dezenten Handkameraeinstellungen mixt. Vor allem ist dies aber Vera Farmiga (Departed - Unter Feinden) und Isabelle Fuhrman zuzuschreiben, auf deren Auseinandersetzung sich der Film ohne große Umwege konzentriert. Die eindringlich spielende Farmiga hat dabei das Glück einer überaus gelungenen Einführung ihres problembehafteten Charakters, und Fuhrman ist als intrigantes kleines Biest
schlichtweg eine Traumbesetzung. Wie sie es, ausgestattet mit gespenstischem russischem Akzent und perfidester Mimik, spielerisch schafft, ihre Umgebung zu manipulieren, ist der pure Gänsehautspaß und unbedingt sehenswert.
Fazit: Trotz kleinerer Schwachpunkte ein gelungener Gruselfilm mit einer fabelhaft fiesen Hauptdarstellerin.
Michael “Eminence” Reisner