Deutschland, 2008
Kinostart: 23.10.2008
Kurz angebunden
Die Deutschen scheinen sich langsam wieder zu trauen, ihre Helden zu feiern. Nachdem Der rote Baron bei Kritikern und Publikum durchfiel, versucht sich nun Philipp Stölzl an der Geschichte von Toni Kurz und Andi Hinterstoisser, die sich 1936 daran machten, die gefürchtete Eiger Nordwand zu besteigen.
Benno Fürmann und Florian Lukas spielen die beiden Hitlerschonimmerblödfinder und werden von Ulrich Tukur sowie Senkrechtstarterin Johanna Wokalek hochkarätig unterstützt.
Die Angst, die bei jedem deutschen Film mitschwingt, bei dem weder Constantin noch X-Filme ihre Finger im Spiel haben, wird schnell aus dem Weg geräumt: Die Produktionswerte sind fast durchweg ansehnlich geraten. Abgesehen von einigen Momenten im Schneegestöber, die allzu offensichtlich im Studio entstanden, sieht die Kletterei überraschend authentisch aus. Zudem gibt es einige wirklich schöne Aufnahmen des Berges, die Schande über deutsche Durchschnittsproduktionen bringen, die oft kaum von Fernsehfilmen zu unterscheiden sind.
Die Geschichte um die deutsche und eine konkurrierende Seilschaft aus Österreich ist in die Selbstfindung der angehenden Journalistin Louise (Wokalek) eingebettet, die mit ihrem regimetreuen Chef (Tukur) in die Schweiz reist, um mit der Reportage über ihre beiden Jugendfreunde ihrem wenig befriedigenden Volontariat zu entkommen. Das dient zwar dem offensichtlichen Zweck, dem Kletterdrama etwas Abwechslung und einen zusätzlichen persönlichen Zwist zu verleihen, Dank der guten Darsteller kommt der Film jedoch damit durch. Leider geht Nordwand ausgerechnet in der letzten halben Stunde jedweder Saft aus. Stölzl und sein Komponist Mischa Krausz, die vom ersten Übungsanstieg an jeden in den Fels geschlagenen Haken mit völlig überzogener Bombastmusik unterlegten, vermögen die Spannungsschraube in den entscheidenden Momenten nicht mehr anzuziehen. Die Geschichte wird tödlich, einer der Kameraden bringt das letzte Opfer, und es herrscht gähnende Langeweile. Zudem gerät die finale
Wendung so unnötig, dass mancher Zuschauer das Kino mit einem bitteren Nachgeschmack auf der Zunge verlassen wird.
Die Melodramatik, vorrangig der Musik, zwingt ein etwas zu langes, jedoch gut gemachtes und gut gespieltes Drama letzten Endes in die Knie. Unterm Strich bleibt der Film dennoch sehenswert, und zwar im Wortsinne, denn derartige Schauwerte haben im deutschen Kino schlichtweg Seltenheitswert.
Felix “Flex” Dencker