Kinostart: 02.11.2006
Sollen sie doch Kuchen essen.
Aller guten Dinge sind drei, heißt es, jedoch stünde Sofia Coppolas dritter Film Marie Antoinette hiernach für eine der berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Coppola machte es sich zur Aufgabe, das Leben der französischen Königin neu zu schreiben - aus ihrem Blickwinkel und im stilistischen Gewand zeitgenössischer Popkultur - und hat sich dabei gründlich verrechnet.
Als 14-jährige wird Maria Antonia, jüngste Tochter Maria Theresias und spätere Marie Antoinette, mit dem französischen Thronfolger Louis-Auguste verheiratet, um das politische Bündnis der beiden Reiche zu sichern. Gelangweilt von ihrem Ehegatten, der sich trotz aller weiblichen Bemühungen geschlagene sieben Jahre lang weigert die Ehe zu vollziehen um einen Thronfolger zu zeugen, flüchtet sich Marie Antoinette in das wilde und dekadente Partyleben von Versailles. Die Politik und das Volk interessieren sie nicht - bis selbiges mit den Mistgabeln vor der Haustür steht.
“Das ist lächerlich.” - “Das, Madame, ist Versailles.”
Der Film basiert auf der im Jahre 2002 erschienen Biographie Marie Antoinette: The Journey von Antonia Fraser, die die kontrovers diskutierte Königin in einem neuen Licht darstellte: als sympathische und lebenslustige Jugendliche, statt als rücksichtslose Regentin. Sie habe aus dem Mythos einen Menschen gemacht, hieß es.
Auf diesem Ansatz baut Sofia Coppola auf, und geht den Weg sogar noch ein ganzes Stück weiter: Sie zeichnet ein bonbonbuntes Portrait der späteren Königin von Frankreich, und zeigt sie als verwirrte Jugendliche, die resultierend aus der Zurückweisung ihres Gatten und der ständigen Lästereien am Hof in das ausschweifende Partyleben hineingleitet.
Als würden sich nicht schon genügend Mythen und Legenden um die Person Marie Antoinette ranken, fügt Sofia Coppola mit ihrer ganz persönlichen Variante noch eine hinzu. Dabei verzichtet sie auf jegliche politischen Vorkommnisse im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts und konzentriert sich auf das Hofleben der Königin, welches sich ausschließlich um Mode, Frisuren und teure Partys drehte. Coppola stilisiert Marie Antoinette zur Paris Hilton von Versailles, die im Gegensatz zur Hotelerbin allerdings Besseres zu tun hätte, als permanent (sich selbst) zu feiern.
So wird Marie Antoinette als normaler Teenager dargestellt, der in diese völlig unwirkliche Welt hineingezogen wird. Aufgrund des jungen Alters der Königin ist dieser Blickpunkt vielleicht sogar legitim, bleibt aber auf jeden Fall diskussionswürdig, denn der Film läuft Gefahr, Marie Antoinettes ignorantes Verhalten durch das Leben in der pastellfarbenen Luftblase zu relativieren und gar zu entschuldigen. Als seien Teenager halt so, damals wie heute. Coppolas “stylische” Inszenierung betont diesen modernen Ansatz, untermalt von einem Indiepop-Soundtrack mit Bands von Air bis zu Phoenix und den Strokes.
Dass aus Marie Antoinette weder der konventionelle Kostümfilm wurde, noch der politische Abriss über die Zeit vor und während der französischen Revolution, wäre ja durchaus erfrischend und lobenswert, wenn Sofia Coppola denn bitteschön irgendetwas anderes zu erzählen hätte. Die erste Filmhälfte dürfen wir Kirsten Dunst dabei beobachten, wie sie vergeblich versucht, ihren Gatten Jason Schwartzman ins Bett zu kriegen; die zweite Hälfte berichtet vom dekadenten Leben am Hof und spart nicht an zahllosen Einstellungen von kulinarischen Spezialitäten und schicken Frisuren. Kurzum: Die Handlung ist über weite Strecken einfach völlig uninteressant. Daran ändern auch die gelungene optische Komponente und vereinzelte pointierte Dialoge nichts.
Wenn man von der fragwürdigen Interpretierung der Geschichte einmal absieht (denn man gönnt ja jedem Mythos seine Gegenthese, und sei sie noch so blöd und zu Filmzwecken zurechtgebogen): Die Idee hinter dem Film hat durchaus ihren Reiz - und ist vermutlich in Antonia Frasers Biographie nachzulesen - das Problem ist nur, dass es Sofia Coppola nicht gelang, diese Idee trotz einer großartigen Kirsten Dunst auf die Leinwand zu übertragen. Und das Ergebnis schwankt somit bonbonbunt zwischen Schade und Ärgerlich.
Christian “vogel” Simon