Australien, 2005
“What have you got cancer for?”
Look Both Ways, mit dem die Autorin und Regisseurin bei den 2005er Afi Awards abräumte, verbindet durch ein Zugunglück in Adelaide die Leben von sechs Menschen. Photograph Nick (William McInnes, Ehemann von Sarah Watt) hat gerade eine vernichtende Diagnose erhalten, muss aber das Wochenende auf ein Urteil des Spezialisten warten. Meryl (Justine Clarke) kommt gerade von der Beerdigung ihres Vaters als sie mit ansieht, wie ein Mann von einem Güterzug überfahren wird. Als die Witwe (Daniela Farinacci) von dem Unglück erfährt, hält Nick den Moment in einem Foto fest, das es auf die Titelseite der Zeitung schafft. In der selben Ausgabe schreibt Andy (Anthony Hayes) einen Artikel über die Wahrscheinlichkeit, dass einige solcher Unfälle in Wirklichkeit Selbstmorde sind, die Steuerzahler und Versicherungsnehmer jedes Jahr Unsummen kosten. Andy hat seine eigenen Probleme, denn seine Freundin Anna (Lisa Flanagan), die er seit einem Monat nicht mehr gesehen hat, ist schwanger. Schließlich ist da noch der Zugführer (Andreas Sobik; Komm, süsser Tod), der nicht damit umgehen kann, einen Menschen überrollt zu haben.
Und dann kehrt ein störrischer Gurt einfach alles um.
Es ist ein seltenes Erlebnis, bewegt zu werden, ohne sich manipuliert zu fühlen. Das war es letztlich, was mich zu diesem zweiten Aussie-Special im Allgemeinen und der Vorstellung von Look Both Ways im Speziellen bewegt hat. Man mag gar nicht so recht glauben, dass es sich hier um ein Langfilmdebut handelt, so stilsicher ist der Film gemacht. Sarah Watt bringt ihre Herkunft als Zeichentrick-Regisseurin in der Gestalt von Meryls Todesvisionen ein, die ihren düsteren Gedanken eine Stimme verleihen, in ihrer Kürze und durch die hübsch gemalten Wasserfarben die Grundstimmung des Films aber keineswegs ins Traurige hinab ziehen. Der Tod in seinen unterschiedlichsten Aspekten liegt über praktisch jeder Szene, doch durch das stilsichere Drehbuch und die gefühlvolle Regie geht alles wunderbar leichtfüßig vonstatten.
Everybody has to find a way to face their own death. And life.
Ebenso die Darsteller. Look Both Ways spielt mit dem Drängen von Gedanken und Ängsten an die Oberfläche - oder auf die Titelseite der Zeitung - und steht oder fällt mit den nuancierten Vorstellungen der Schauspieler. McInnes und Clarke (Danny Deckchair) können ihre darstellerischen Muskeln am ausgiebigsten spielen lassen, doch ist der Film bis in die kleinsten Nebenrollen perfekt besetzt. Heimlicher Star des Ensembles ins Anthony Hayes (the boys), der dem dauergrantigen Andy den entwaffnenden Charme eines zerrupften Teddybärs verleiht.
Das Sahnehäubchen bildet der Soundtrack, vor allem das Lied Crashing der australischen Band Gersey, das sich als eines der Themen durch den Film zieht und dessen hoffnungsvoll melancholischen Ton passend einfängt.
Look Both Ways behandelt ganz entspannt die großen Themen des Lebens. Wie hier an einem brütend heißen Wochenende ein tragischer Unfall die Leben seiner Protagonisten aufwühlt und diese sich zum lebensbejahenden Finale durcharbeiten, sollte sich kein Filmfreund entgehen lassen.
Felix “Flex” Dencker