USA 2006
30.11.06
Roadmovie für Gewinner.
Filmfestivals bringen immer wieder kleine cineastische Highlights ans Tageslicht, die dadurch den Sprung ins (bestenfalls internationale) Kino schaffen. So auch der auf dem Sundance-Festival gefeierte Little Miss Sunshine, der auch in Locarno, Deauville, Helsinki, San Sebastián und Wien lief, und einmal mehr unter Beweis stellt, dass im Mainstreamkino zwischen Hollywood-Fließbandware und Special-Effects-Blockbustern auch heute noch Platz ist für die feinen und die schrägen Töne, abseits von Multimillionenbudgets.
Der größte Traum der kleinen Olive (Abigail Breslin) ist es, den “Little Miss Sunshine”-Schönheitswettbewerb für Kinder zu gewinnen. Um ihr die Teilnahme zu ermöglichen, beschließen ihre Eltern Sheryl und Richard (Toni Collette und Greg Kinnear), mit ihrem alten Vw-Bus zum Wettbewerb zu fahren, da das Geld für Flugtickets nicht ausreicht. Notgedrungen müssen der suizidgefährdete Onkel Frank (Steve Carrell) und der drogenabhängige Opa (Alan Arkin) mit auf die Reise quer durch die USA, da Sheryl die beiden nicht mit ihrem rebellischen Sohn Dwayne (Paul Dano) alleine lassen kann und will.
Drehbuchautor Michael Arndt hat Großartiges geleistet: Er schuf Charaktere, die auf der einen Seite realistisch sind, auf der anderen Seite jedoch sich selbst und die Lebenseinstellungen, für die sie stehen, wunderbar parodieren. Vater Richard, der vom Gewinnen besessene Motivationstrainer, der permanent mit dem eigenen Versagen konfrontiert wird; sein Sohn Dwayne, der seit neun Monaten kein Wort mehr gesprochen hat und erst wieder den Mund aufmachen will, wenn sich sein Traum Pilot zu werden erfüllt hat; der intelligente Frank, dessen unerfüllte Liebe ihn zum Selbstmordversuch trieb - Alle ihre Geschichten drehen sich um das zentrale Thema des Films: Ist man ein Gewinner im Leben oder ein Verlierer?
Es offenbart sich eine herrliche, familiäre Gruppendynamik, die sowohl als Basis für pointierte Dialoge und skurrile Situationen dient, als auch genügend dramatisches Potential birgt, um Little Miss Sunshine nicht nur an der schrägen Oberfläche kratzen zu lassen.
Jonathan Dayton und Valerie Faris gelang ein intelligentes, vielschichtiges Roadmovie, das den ur-amerikanischen Gedanken vom Konkurrenzdenken in einer Tonlage parodiert, die stets zwischen herzensgut und bitterböse schwankt. Es ist dieser ehrliche, schwarzhumorige und sympathische Charme, der den Reiz des Films ausmacht und dessen Vielseitigkeit kennzeichnet.
Little Miss Sunshine ist ohne Frage eines dieser kleinen cineastischen Highlights, die kaum jemand auf der Rechnung hatte und die dennoch alles Vergleichbare weit hinter sich lassen. Für mich der beste Film des Jahres.
Christian “vogel” Simon