USA 2006
Kinostart: 26.04.2007

Hinter der harmlos wirkenden Einheitsfassade amerikanischer Vorstadthäuser verbirgt sich ein wohl unerschöpflicher Schatz abgründiger Geschichten. Regisseur Todd Field, der das Drehbuch gemeinsam mit dem Autor der Buchvorlage, Tom Perotta entwickelte, nimmt sich mit Little Children eine Bostoner Wohngegend und ihre Bewohner vor.
Bereits die erste Einstellung des Films bringt das Doppelgesicht der suburbanen Idylle zum Vorschein: sie zeigt tickende Uhren in einem Raum voller Porzellanpuppen - es ist ein Raum zum Verrücktwerden.

Ebenso unerträglich sind die Gespräche der anderen Ehefrauen und Mütter auf dem örtlichen Kinderspielplatz. Sarah (Kate Winslet), die ihre störrische Tochter Lucy dorthin ausführt, muss ständig die gut gemeinten Ratschläge ihrer Freundinnen erdulden. Nur die Ankunft des attraktiven Brad (Patrick Wilson) mit seinem Sohn kann die Frauen vom Pädagogisieren abhalten. Um sie endgültig mundtot zu machen, überredet Sarah Brad dazu, sie vor den Augen der anderen zu küssen. Doch der Kuss bleibt auch für Sarah und Brad nicht ohne Wirkung…

Little Children stellt zunächst dar, wie sich Sarah und Brad einander annähern. Beide träumen von einem anderen Leben, größeren Freiheiten, Luft zum Atmen. Details über ihre jeweiligen Ehepartner Richard (Gregg Edelman) respektive Kathy (Jenniffer Connelly) werden eher sporadisch eingestreut und kommentiert von einer spöttischen Off-Stimme.
Während Brad und Sarah abseits ihrer Ehen in ein Abenteuer hineinsteuern, wird andernorts Ronnie McGorvey (Jackie Earle Haley) von seiner alternden Mutter (Phyllis Somerville) zur Suche nach einer Partnerin gedrängt. Angesichts der Tatsache, dass an fast jedem Baum der Stadt Plakate vor McGorvey warnen, ist das kein leichtes Unterfangen. Ronnie, der jetzt bei der Mutter lebt, saß wegen eines Sexualdelikts im Gefängnis. Besonders Brads Touchfootball-Kumpel Larry (Noah Emmerich) fühlt sich als ehemaliger Cop dazu berufen, ihm klarzumachen, dass er im Ort nicht erwünscht ist.

Die beiden Handlungssträge werden eine ganze Weile parallel geführt. Gerade weil sie höchstens lose verknüpft werden und sich mit der Zeit die Frage nach der Auflösung regelrecht aufdrängt, entsteht eine düstere Spannung. Field lässt sich wie bei seinem Familiendrama In the Bedroom sehr viel Zeit und spannt seine Zuschauer durch scheinbar beiläufige Metaphorik auf die Folter. Warnende Zugsirenen, Risse am Boden des örtlichen Schwimmbads, tickende Uhren - alle Zeichen deuten darauf hin, dass es irgendwann gewaltig krachen muss. Doch Little Children zeichnet sich nicht durch ein irgendwie überraschendes Finale aus. Vielmehr weckt er die Lust daran, zu beobachten, wie die Katastrophe heran kriecht.

Die Zerbrechlichkeit der Situation muss prinzipiell auch den handelnden Personen klar sein, wird aber durch ihre emotionalen Versuche überdeckt, aus ihrer jeweiligen Rolle auszubrechen. Winslet und Wilson lassen die beiden Hauptfiguren als zwei Menschen erscheinen, die sich eher wie Teenager als wie Erwachsene benehmen, denen man dabei aber sehr viel Sympathie entgegen bringen kann.

Die bissigen Erklärungen einer Off-Stimme verleihen dem Film gerade zu Beginn eine komische Note, halten den Zuschauer auf Distanz. Später bleiben diese Kommentare über weite Strecken aus, eine unbehagliche Stimmung macht sich breit. Todd Fields Spiel mit den Klischees der Vorstadt gelingt nicht durchgehend, bleibt er ihnen doch zu sehr verhaftet. Seine besten Momente hat der Film in pointierten Szenen wie jener, in der Ronnie McGorvey im Schwimmbad mit der empörten Allgemeinheit aneinander gerät (auch gezeigt bei den Oscars, für Jackie Earle Haley blieb es bei einer soliden Nominierung für seine Nebenrolle).

Little Children ist ein Film, der einen unruhig auf dem Kinositz herumrutschen lässt. Entweder vor Langeweile, weil man mit eher schwergängigen Dramen nichts anfangen kann. Oder vor Spannung, weil man sich von den überzeugend portraitierten Charakteren in den Bann ziehen lässt.

Heiko Titz