Originaltitel: La Vie En Rose
Frankreich 2007
Kinostart: 22.02.07
Das bewegte Leben der Edith Piaf scheint wie dafür gemacht, verfilmt zu werden. Nach einer handvoll Kino- und Fernsehverfilmungen über unterschiedliche Lebensabschnitte des “Spatzen von Paris” kommt mit Olivier Dahans La Vie en Rose nun ein Film in die Kinos, der sich des gesamten Leben der weltberühmten Chanteuse annimmt.
Von ihrer Mutter verlassen, aufgewachsen im Bordell der Großmutter und auf den Straßen von Paris, erfuhr Edith Giovanna Gassion bereits in jungen Jahren mehr Elend, als ein Kind ertragen sollte. Als junge Erwachsene (gespielt von Marion Cotillard) arbeitet sie als Straßensängerin, um sich nicht prostituieren zu müssen, und vertreibt sich die Zeit mit Alkohol in rauen Mengen. Selbst als sie Mitte der 30er Jahre von Louis Leplée (Gérard Depardieu) für das bekannte Variété “Gerny’s” entdeckt wird, wenden sich die Dinge nur anfangs zum Guten für Edith, nun genannt “la môme piaf”, “der kleine Spatz”.
Als nach einigen Hochs und Tiefs, zehn Jahre später der weltweite Erfolg Einzug in das Leben der Edith Piaf hält, verschlägt es sie nach New York, wo sie den Boxer Marcel Cerdan kennen lernt. Doch blieb sie nach einzelnen Momenten des Glücks stets vom Pech verfolgt, so dass sich ihr kurzes Leben als ständiger Kampf gegen die Umstände gestaltete, seien es schwere Krankheiten oder traumatisierende Zwischenfälle.
Episodisch erzählt, widmet sich die Biographie den signifikanten Passagen im Leben der Edith Piaf und ermöglicht durch die bewusste Montage dieser Abschnitte eine Erzählstruktur, die eine lineare Rekapitulation der Ereignisse schlicht verhindert hätte. Dies bringt für La Vie en Rose gegenüber weitgehend chronologisch erzählten Künstler-Biographien wie Ray oder Walk the Line den Vorteil, dass Regisseur Olivier Dahan nicht einen Lebensabschnitt herausgreifen muss, um eine einfache Dramaturgie zu sichern. Dank der episodischen Anordnung kann er sich seiner Hauptfigur auf mehreren Ebenen nähern und gleichzeitig eine stringente Narration wahren. So spricht La Vie en Rose viele wichtige Aspekte im Leben der Edith Piaf an, führt sie aus und zeigt deren Einfluss, erhebt jedoch nicht zwingend den Anspruch auf Vollständigkeit. Es gelingt, die verschiedenen zeitlichen Ebenen so anzuordnen, dass sie sich im Laufe der 140 Spielminuten wie ein Puzzle wieder zusammensetzen. Stück für Stück kombiniert Dahan die Einzelteile und zeichnet in Konsequenz ein psychologisches Portrait der Chanteuse, untermalt von ihrer todtraurigen Musik.
Hauptdarstellerin Marion Cotillard vollbringt für Edith Piaf, was Robert Downey Jr. für Charlie Chaplin vollbrachte. Sie verkörpert nicht nur eine komplexe Figur mit ihren Talenten und Makeln; sie verwandelt sich vom Sprachrhythmus bis zur markanten Haltung fast vollständig in die heute fast mythologisch betrachtete Figur. Das heißt, nicht ganz: Für die im Film verwendeten Chansons wurden die Originalaufnahmen digital gemastert, was gemeinsam mit Marion Cotillards großartigem Schauspiel Gold für die Authentizität des Films wirkt.
La Vie en Rose präsentiert sich als ambitionierte und groß ausgestattete Hommage an eine geliebte Nationalheldin, ohne sie zu glorifizieren oder das Gesamtbild zu beschönigen Hervorragend gespielt und schön umgesetzt, berührt und unterhält der Film gleichermaßen, nicht zuletzt dank Edith Piafs großartiger Musik. Ein französischer Hollywoodfilm — im besten Sinne.
Christian Simon