Originaltitel: The Princess and the Frog
USA, 2009
Kinostart: 10.12.2009
Es ist nicht einfach, grün zu sein
Disney ist wieder da. Der erste zweidimensionale, handgezeichnete Trickfilm seit… fünf Jahren? Eigentlich keine so lange Zeit, möchte man meinen, doch die Pr-Maschinerie verschweigt bei der “triumphalen Rückkehr zur klassischen handgezeichneten Animation” gerne die letzten Zeichentrickfilme des Konzerns, und aus gutem Grund. Weder Bärenbrüder noch Die Kühe sind los versprühte die Magie vergangener Tage, mit der der Disney-Konzern die Kindheit von Generationen von Kinobesuchern prägte.
Nun, da Pixar-Chef John Lasseter das Ruder übernommen hat, geht man in die Vollen. Küss den Frosch ist ein Disney-Film der alten Schule, mit allem was dazugehört, positiv wie negativ.
Heldin des Films ist die junge Tiana, Tochter einer Näherin und beste Freundin der blonden, weißen, reichen Charlotte. Diese plant, den gutaussehenden Prinzen Naveen zu ehelichen, doch ein Voodoo-Zauber durchkreuzt ihre Pläne. Plötzlich ist Naveen nicht mehr als ein sprechender Frosch, und sein Adjutant, der mit einem bösen Zauberer im Bunde steht, sieht auf einmal aus wie Naveen. Der echte Prinz wendet sich an Tiana, die ihn durch einen Kuss von dem Fluch befreien soll. Als Gegenleistung verspricht er, ihren Traum vom eigenen Restaurant wahr zu machen.
Doch natürlich kommt alles ganz anders, und so hüpfen beide als Frösche durch die Sümpfe von New Orleans, auf der Suche nach einer Voodoo-Priesterin, die den Fluch aufheben kann.
Visuell gibt es wenig auszusetzen. Das Louisiana der 1920er Jahre wird farbenfroh präsentiert, die Qualität der Animationen kann sich im Großen und Ganzen sehen lassen, nur gelegentlich gibt es kleine Aussetzer, wenn eingefügte Computergrafiken zu offensichtlich herausstechen.
Was zu einem Disney-Film der alten Schule leider auch gehört, sind ausufernde Gesangseinlagen, überbordende Klischees sowie Kitsch bis Unterkante Oberlippe. Das fängt bei Tianas heldenhaft verstorbenem Vater an, der in Rückblenden gezeigt wird und ausschließlich in Aphorismen redet, geht weiter bei der Musik, die von der ersten Szene an auf maximale Tränensackentleerung geeicht wurde und endet beim Finale, das mit audiovisuellem Overkill zu übertünchen versucht, dass ein Schritt nach vorn mit zwei Schritten zurück erkauft wurde. Denn auch das Bild der afro-amerikanischen Bevölkerung, das Küss den Frosch transportiert, stammt aus der guten alten Zeit, und hier darf man, gerade bei einem Film für die ganze Familie, ruhig etwas kritischer werden. Der Film sollte ursprünglich The Frog Princess heißen, zu Deutsch Die Froschkönigin, und die Hauptfigur sollte ein Dienstmädchen namens Maddy sein. Wie so oft sprangen Interessenverbände ins Feld und führten die
blödsten Beschwerden an, die man sich vorstellen kann: Der Beruf fördere Stereotype, der Name klinge praktisch wie “Mammy” und der Titel fertige alle farbigen Frauen als hässlich ab.
Hat man den Film erst einmal gesehen, erscheinen diese Beschwerden noch unsinniger, denn Küss den Frosch ist reaktionärer und herablassender, als es ein unbequemer Titel je sein könnte. Dass jegliche Rassenprobleme vordergründig totgeschwiegen werden, lässt sich unter Familienkompatibilität abhaken. Zweifelhaft erscheint, ob die Bevölkerung von New Orleans in den 1920er Jahren Haarglätter benutzt hat, denn die Farbigen sehen zum Teil aus wie gut gebräunte Weiße mit etwas breiteren Nasen, vor allem Tiana selbst. Und während die weiße Charlotte die üblichen Mädchenträume vom Märchenprinzen mit Colgategrinsen träumt, ist die höchste Ambition, die Tianas Vorstellungskraft erlaubt, das Führen eines Restaurants, in dem sie dann reiche Weiße bekochen und bedienen darf.
Auf den ersten Blick scheint es löblich, dass Disney eine Farbige zur Heldin seines neuen Zeichentrickfilms erklärt, selbst wenn so etwas im Jahr 2009 eigentlich keine Erwähnung mehr wert sein sollte. Man könnte auch die unglückliche Gegenüberstellung des bösen schwarzen Voodoo-Priesters auf der einen und des coolen, mehr oder weniger weißen Prinzen auf der anderen Seite verzeihen. Die Moral des Films, die der Heldin nur ein Happy End einräumt, wenn sie sich mit ihrem Platz in der Gesellschaft abfindet, macht Küss den Frosch letztlich aber zu einer ziemlich unangenehmen Angelegenheit.
Felix “Flex” Dencker