Originaltitel: Running with Scissors
USA, 2006
Kinostart: 18.01.2007
Rennen mit Scheren
Die Verfilmung der Autobiographie Running with Scissors erzählt vom 14jährigen Augusten Burroughs (Joseph Cross), der von einer kaputten Familie in eine andere kaputte Familie abgeschoben wird.
Sein Vater Norman (Alec Baldwin) und seine Mutter Dierdre (Annette Bening) haben sich so weit auseinandergelebt, dass Augusten eigentlich nur ein Unfall gewesen sein kann.
Dierdre fixiert sich auf ihre jämmerlichen Versuche, als Poetin ernst genommen zu werden, Norman nimmt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Reißaus, und so lässt sich Augusten widerwillig von den Finchs adoptieren, der Familie von Dierdres Psychiater (Brian Cox). Dort geht es allerdings kein Stück harmonischer zu.
Filme wie Krass geben mir das Gefühl, an Aufmerksamkeitsschwäche zu leiden. Eine Menge passiert, es gibt abgedrehte Figuren in ungewöhnlichen Situationen, und ich renke mir vor lauter Gähnen den Unterkiefer aus.
Krass ist in gewisser Weise Little Man für Intellektuelle. Während jene filmische Unverschämtheit Furzwitze als Allheilmittel gegen die Langeweile seines Publikums einsetzt, schaufelt Krass mit ähnlicher Stilsicherheit Skurrilität auf Skurrilität, in der Hoffnung, dass die Arthouse-Fangemeinde dies originell und tiefgründig finden wird.
Stattdessen verschwindet Krass in der Ritze zwischen den beiden Ansätzen, interessante Familiendramen auf die Leinwand zu bringen. Entweder, man begegnet der Groteske mit dem trockenen Humor eines The Royal Tenenbaums, oder man geht den bodenständigen Weg wie Der Tintenfisch und der Wal. Krass ist zu depressiv und vor allem zu langweilig, um als Satire zu funktionieren, und zu grotesk, um ernst genommen zu werden. Gelegentlich werden Erinnerungen an Big Fish wach, der aus einem ähnlich bizarren Blickwinkel ein bezauberndes Märchen schuf, doch hier mag der Funke einfach nicht überspringen.
Ryan Murphy, der das Drehbuch schrieb und sein Regiedebut gibt, dürfte einigen als Schöpfer der Serie Nip/Tuck bekannt sein. Diese wurde vor allem in der zweiten Staffel ähnlich absurd, doch waren die Figuren im ersten Jahr so hervorragend etabliert worden, dass man ihnen das immer unfassbarer werdende Treiben abkaufte.
Krass muss ohne diese Erdung auskommen, und so gibt es für den Zuschauer keine Gelegenheit, sich wirklich auf die Figuren einzulassen. Die Darsteller geben durch die Bank ihr bestes, doch Murphy bevölkerte den Film nicht nur mit überwiegend eindimensionalen Stereotypen, auch sein Regiestil lässt wenig Hoffnung für die Zukunft aufkeimen. Zum einen kleisterte er das Geschehen mit einem aufdringlichen Soundtrack zu, der zudem nicht immer zur jeweiligen Szene passt, zum anderen lässt der ebenso nervige wie sinnfreie Einsatz von Zeitlupen manchmal die Besonnenheit eines Michael Bay herbeisehnen.
Ich kann nur mutmaßen, wie viel des Buches bei der Adaption verloren ging. Das Ergebnis ist jedoch derart unbefriedigend, dass es nicht einmal Spaß macht, sich darüber das Maul zu zerreißen.
Felix “Flex” Dencker