USA, 2007
Kinostart: 20.03.2008
Kinder sind ein Gottesgeschenk, nicht wahr? “Wunder des Lebens” und so weiter?
Nicht für die 16jährige Juno (Ellen Page), die nach dem ersten Mal mit ihrem besten Freund Paulie (Michael Cera) feststellen muss, dass sie schwanger ist. Der erste Schreck führt sie in die Abtreibungsklinik, in deren Wartezimmer sich Juno allerdings überhaupt nicht wohl fühlt, und so beschließt sie, das Kind auszutragen und zur Adoption frei zu geben.
Auf eine Anzeige in der Rubrik “Nachkommen, verzweifelt gesucht” im örtlichen Anzeigenblatt hin findet sie Mark und Vanessa (Jason Bateman und Jennifer Garner), zwei Yuppies, die in einem klinisch reinen Haus leben und sich nichts mehr wünschen als ein Baby. Als Juno sich mit Mark anfreundet und etwas zu viel Zeit mit ihm verbringt, zeigen sich Risse in der trauten Familienidylle.
Die Szene, in der Juno ihren Eltern von der Schwangerschaft erzählt, zeigt unmissverständlich, was diese Geschichte zu etwas besonderem macht. Das von J.K. Simmons und Allison Janney verkörperte Paar gehört zu einer erlesenen Gruppe von Figuren in der Geschichte der Filmkomödie: den sympathischen, witzigen und trotzdem glaubwürdigen Eltern einer jugendlichen Hauptfigur. Dass Drehbuchautorin Diablo Cody in ihrem Erstlingswerk auf den beliebten, da bequemen Weg verzichtete, tyrannische Eltern als Quelle für sarkastische Sprüche zu konzipieren, und sie statt dessen fürsorglich und warmherzig sein ließ - und ihnen dann sarkastische Sprüche in den Mund legte - verdient eine positive Erwähnung. Die beiden Rollen wurden mit Simmons und Janney punktgenau besetzt, so dass es einfach eine Freude ist, mit anzusehen, wie die beiden sich entfalten. Selbiges gilt auch für Jennifer Garner und Jason Bateman. Buch und Regie spielen mit den Erwartungen des Publikums, ohne irgendetwas zu übertreiben
oder zu dramatisieren.
Doch natürlich dreht sich der Film um Juno, und Ellen Page ist eine Offenbarung. In den kleinen Momenten, in denen ihr Schutzwall zerbröckelt, zeigt Juno, die bis dahin mit zynischen Sprüchen und trockener Erzählerstimme eine sichere Distanz demonstriert hat, dass sich hinter ihrem typischen Independent-Film-Humor ein Mädchen verbirgt, das in seiner Situation alleine völlig überfordert wäre. Ihre besten Momente hat sie im Zusammenspiel mit Michael Cera, der durchgehend dreinblickt, als sei er nur knapp einem Autounfall entkommen. Diese beiden Jungdarsteller, den meisten durch Hard Candy und X-Men 3, respektive Superbad und Arrested Development bekannt, haben ohne Frage eine rosige Zukunft vor sich.
Regisseur Jason Reitman mag sich hin und wieder gewohnten Indie-Stilelementen hingeben, meistert die gefühlvolle Thematik jedoch ausnahmslos gekonnt und unterlegte das Ganze mit einem Soundtrack irgendwo zwischen Walk Hard und Die Tiefseetaucher, der ebenso rührend und verschroben daherkommt wie der Rest des Films.
Filme wie Helden der Nacht mögen meinen Job sichern, aber wegen Filmen wie Juno liebe ich ihn.
Wer in diesem Jahr nur einmal ins Kino geht, sollte Juno fest mit einplanen.
Felix “Flex” Dencker