USA, 2009
Kinostart: 03.09.2009
Mastering the Art of American Filmmaking
Mitte des 20. Jahrhunderts lebte die Amerikanerin Julia Child gemeinsam mit ihrem Diplomaten-Ehemann in Frankreich und suchte nach einer Beschäftigung. Sie lernte die hohe Kunst des Kochens und brachte sie zurück in die USA, wo sie mit Büchern und Kochsendungen ihr Scherflein dazu beitrug, die Welt zu verändern.
Etwa 50 Jahre später suchte die New Yorkerin Julie Powell nach Ablenkung und Selbstbestätigung und beschloss, die Rezepte aus Childs Meisterwerk Mastering the Art of French Cooking nachzumachen.
‘Na und?’ mag man da fragen. Doch Powell tat, was viele moderne Menschen tun, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen - sie schrieb ein Blog über ihre Kocherei.
‘Na und?’ mag man da erneut fragen, doch das Blog fand eine Leserschaft und wurde schließlich zu einem Buch verwurstet, das zum Bestseller wurde. Also musste eine Verfilmung her.
Und da ist er nun, der Film zum Buch zum Blog zum Buch zur Lebensgeschichte. Nora Ephrons Julie & Julia bietet zwei Filme in einem, von überaus unterschiedlicher Qualität.
Die Geschichte von Julia Child und ihrem Mann Paul ist mit liebevoller Geduld erzählt und von Meryl Streep und Stanley Tucci ganz bezaubernd gespielt. Die beiden bilden ein beneidenswertes Paar, bei dem jede kleine Geste, jeder Blick, liebevoll und authentisch wirkt. Streep merkt man die Glückseligkeit darüber, dass sie sich für die Rolle zusätzliche Körperfülle anfuttern durfte, jedenfalls an. Mit der Rolle der großzügig dimensionierten Köchin, die ihre Berufung in einer Zeit fand, in der Frauen eigentlich gar keine Berufung haben sollten, empfiehlt sie sich einmal mehr für einen Oscar.
Für Bloggerin Julie (Amy Adams) bemüht Regisseurin Ephron ihre gewohnten Erzählmittel - allen voran das penetrante Voiceover - und zeigt das Leben einer neurotischen Egomanin, deren weinerliche Selbstzentriertheit zunehmend ärgerlich wird, nicht zuletzt da sie den vergnüglichen Rückblicken auf die lebensfrohe Julia Leinwandzeit raubt. Ephrons seltsame Sicht auf die Figur gipfelt in einer Szene, in der Julie lebende (und sich wehrende) Hummer in kochendes Wasser wirft, da sie es nicht übers Herz bringt, sie vorher zu töten - süffisant untermalt mit “Psycho Killer” von den Talking Heads.
Powells zweites Buch, in dem sie von ihrer Affäre mit einem Freund berichtet, wurde angesichts des Kinostarts übrigens auf kommenden Dezember verschoben und die Affäre dankenswerter Weise aus dem Film rausgelassen.
Also, ansehen oder nicht ansehen?
Für Frauen dürfte sich diese Frage kaum stellen. Ein Hollywood-Film, der weder ein Baby noch eine neue Beziehung als Lösung für Langeweile und Weltschmerz propagiert, ist alleine schon Gold wert, Meryl Streep sowieso (in der Originalfassung zumindest), und Amy Adams schafft es zumindest zum Teil, Julie sympathisch oder wenigstens nachvollziehbar zu machen.
Mitgeschleifte Männer können sich die Zeit in den Julie-Szenen mit der Frage vertreiben, wie wohl das weibliche Pendant zum Begriff “Egowichsen” lautet.
Hätte der Film sich auf Julia Child konzentriert, wäre er einer der besten des Jahres geworden. Durch die versuchte Gleichsetzung seiner beiden Hauptfiguren demonstriert er vor allem, dass Erfolg heute keine Arbeit oder Passion mehr erfordert. Ein bisschen Glück tut es manchmal auch.
Felix “Flex” Dencker