Originaltitel: John Carter
USA, 2012
Kinostart: 08.03.2012
Der lange Weg zur Rot-grünen Koalition
Edgar Rice Burroughs’ Die Prinzessin vom Mars zählt zu den ältesten Klassikern der Science-Fiction-Literatur; ein Buch, das das Genre bis heute beeinflusst. Verwunderlich also, dass der Roman nie verfilmt wurde, sieht man von einer Asylum-Produktion aus dem Jahre 2009 ab, in der Antonio Sabato Jr. dem erstaunten Videothekenpublikum zeigen durfte, dass er noch lebt. 100 Jahre nach Erscheinen des Buches kommt nun die erste ernstzunehmende Verfilmung in die Kinos, inszeniert von Pixar-Veteran Andrew Stanton, der hier sein Realfilmdebut gibt.
Warum die Titeländerung? Die offizielle Erklärung: Marketing. Jungs mögen keine Prinzessinnen, Mädels mögen keine Planeten. Welchen inhärenten Reiz der Titel “John Carter” besitzen soll, bleibt offen. Inoffiziell könnte es auch damit zu tun haben, dass es sich hier um eine äußerst freie Verfilmung handelt.
John Carter ist ein Soldat im amerikanischen Bürgerkrieg, der vor Apachen in eine Höhle flieht und sich plötzlich auf dem Mars wiederfindet. Dort stellt er schnell fest, dass die geringere Schwerkraft des Planeten ihm übermenschliche Kräfte verleiht, was ihm gut zupass kommt, als er in den Krieg zwischen den grünhäutigen und vierarmigen Tarks und den rothäutigen, humanoiden Bewohnern des Reiches Helium gerät.
Im Buch ist Carter ein recht gewöhnlicher Mann, der auf unerklärliche Art in eine andere Welt transportiert wird. Dort versucht er, Frieden zwischen zwei kämpfenden Fraktionen zu stiften und muss den gesamten Planeten retten, als die antike Frischluftanlage versagt.
Im Film wird er (gespielt von Taylor Kitsch) als rebellischer Einzelkämpfer eingeführt, der von einem mysteriösen Medaillon auf den Mars transportiert wird. Da es in einem Studiofilm einen klar erkennbaren Bösewicht geben muss, werden die Geschicke der Völker von einer gottähnlichen Rasse gelenkt, die den Planeten systematisch vernichtet und ihre Augen bereits auf die Erde gerichtet hat. Traurigerweise führt keine der tiefgreifenden Änderungen zu besser ausgearbeiteten Figuren. Dass Carter und die einst titelgebende Prinzessin (Lynn Collins) sich ineinander verlieben, ist angesichts der knackigen und stets knapp bekleideten Darsteller nachvollziehbar, doch fühlt es sich allzu sehr wie eine Konvention auf dem Weg zu einem vom Studio vorgegebenen Happy End an. Vereinzelte Flashbacks sollen Carter eine Hintergrundgeschichte geben, verwirren aber mehr, als zu helfen. Dies fügt sich leider in den Rest des Films ein, der die eigentlich sehr schlichte Handlung beizeiten etwas verworren
erzählt. Die übrigen Figuren sind mit erprobten Charakterdarstellern besetzt, darunter Mark Strong, Bryan Cranston und Dominic West, doch die einzigen, die etwas Tiefe entwickeln dürfen, sind die computeranimierten Tarks.
Ungeachtet all dessen verdient John Carter jedoch ein Prädikat, das sich nur wenige Filme anheften können: Einzigartig.
Die toll gemachte CGI füllt den Mars mit opulenten Gebäuden und schimmernden Fluggeräten, die der Netzhaut zur wohltuenden Massage gereichen. Entscheidender sind natürlich die Lebewesen, und auch die gelingen tadellos. Besonders die vierarmigen Tarks wurden mit so viel Liebe zum Detail entworfen und animiert, dass sie schon Charakter besitzen, wenn sie gerade aus dem Ei geschlüpft sind.
Auch auf der mehr oder weniger menschlichen Seite gibt es nichts zu bemängeln, denn so oberflächlich die Figuren sind, so charismatisch und sympathisch sind die Schauspieler.
Disney gebührt Respekt für den Mut, ein offensichtlich gigantisches Budget in einen Film zu investieren, der auf einer heute wenig gelesenen Vorlage beruht, von der zudem so oft abgekupfert wurde, dass sie für das Publikum selbst wie ein fader Abklatsch wirken muss.
Fans des Buches werden ob der massiven Änderungen die Zähne zusammenbeißen müssen, und der Rest wird sich gelegentlich unschlüssig am Kopf kratzen.
Doch John Carter entführt sein Publikum in eine fremdartige und sehenswerte Welt, die definitiv auf der großen Leinwand genossen werden sollte. Insgesamt ein würdiges Kinoerlebnis, um einen langen und spannenden Blockbustersommer zu eröffnen.
Felix “Flex” Dencker