Originaltitel: The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford
USA, 2007
Kinostart: 25.10.2007

Im Jahr 1881 ist Jesse James (Brad Pitt) bereits eine lebende Legende. Der wohl prominenteste Bandit der Us-Geschichte ist Gegenstand zahlreicher Groschenromane, die Sensationspresse macht ihn zu einem modernen Robin Hood. Sein größter Bewunderer ist der 19-jährige Robert Ford (Casey Affleck), der sich nichts sehnlicher wünscht, als an der Seite seines großen Vorbilds zu reiten.
Während der charismatische Verbrecher aufgrund des auf ihn ausgesetzten Kopfgeldes immer paranoider wird und zahlreiche ehemalige Verbündete vorbehaltlich ausradiert, schafft es der ehrgeizige Ford, sein Vertrauen zu erlangen. Was dutzenden Gesetzeshütern in ganz Amerika nicht gelang, schafft der junge Mann am 3. April 1882: Er tötet Jesse James und wird auf einen Schlag selbst zur Berühmheit.

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford vereint zwei Charakterstudien auf eine Laufzeit von knapp 160 Minuten. Das Vorhaben, einen entlarvenden Blick hinter die medienmanipulierten Masken der beiden Protagonisten zu werfen, gelingt hierbei vorzüglich, was nicht zuletzt an den großartigen Darbietungen von Brad Pitt und vor allem Casey Affleck liegt. Die Regiearbeit von Andrew Dominik (Chopper) nach dem gleichnamigen Roman von Ron Hansen ist kein Werk der großen Worte: Beide Hauptdarsteller erweisen sich als wahre Meister reduzierter und zugleich ausdrucksstarker Mimik. Pitt verleiht seiner Filmfigur eine ungeheure Präsenz und genau jenen Grad an schwer zu beschreibender, vereinnahmender Ausstrahlung, die dem echten Jesse James zugeschrieben wurde. Und das völlig frei von Klischees und mit einem Hauch von Verletzlichkeit und damit auch Menschlichkeit. Affleck porträtiert den komplexen Charakter Fords, der weit über blosse Feigheit hinausgeht, ungeheuer intensiv und so facettenreich, dass nie auf plumpe Gut/Böse-Schemata zurückgegriffen werden muss. Im übrigen ist der Streifen bis in die kleinsten Nebenrollen hochkarätig besetzt: Von Paul Schneider über Jeremy Renner bis hin zum wie immer exzellenten Sam Rockwell, an der Ensembleleistung gibt es rein gar nichts auszusetzen.
Weitere Pluspunkte sind die kraftvolle Bildsprache des fünffachen Oscar-Kandidaten Roger Deakins (u.a. Jarhead - Willkommen im Dreck und The Village) sowie die tolle Filmmusik von Nick Cave und Warren Ellis.

Doch jetzt kommt das große Aber: Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford ist gähnend langweilig. Dies mag zum einen an den vollendeten Tatsachen liegen, vor die einen bereits der elendslange Titel stellt. Vor allem aber ist es die sprunghafte, zerfahren wirkende und in keinster Weise spannende Handlung selbst, welche die ohnehin schon viel zu großzügig bemessene Laufzeit gefühlsmäßig auf eine kleine Unendlichkeit ausdehnt. Sowohl die Inszenierung als auch das Drehbuch Dominiks hätten hier ein Mehr an Kompaktheit und Straffung vertragen, was dem Anspruch eines charakterorientierten Psychodramas weit mehr geholfen als geschadet hätte.

Fazit: Was helfen all die malerischen Bilder, der bemerkenswerte Score und eine Darstellerriege der Extraklasse, wenn es an einer fesselnden Geschichte fehlt?

Michael Eminence” Reisner