Bond Begins.

Was wurde im Vorfeld des 21.* James-Bond*-Abenteuer nicht alles geschimpft, diskutiert und spekuliert: Daniel Craig sei kein 007, dazu sei er zu blond, zu wenig Gentleman und überhaupt könne das ja alles nur schief gehen. Nun allerdings, und soviel sei bereits in dieser Einleitung verraten, dürfen alle Bedenken zumindest diesbezüglich getrost vergessen werden.

Der seit Lizenz zum Töten erste Bondfilm, der auf einem Roman von Franchise-Schöpfer Ian Fleming basiert, kehrt dorthin zurück, wo alles begann: Die durch zwei Auftragsmorde frisch gebackene Doppel-Null (Daniel Craig) soll den mysteriösen Le Chiffre (souverän wie immer: Mads Mikkelsen) dingfest machen, der sich als Investmentbanker krimineller Organisationen und Terroristen hoch verschuldet hat und nun mit dem Rücken zur Wand steht. Als Le Chiffre in Montenegro ein millionenschweres Pokerspiel auf die Beine stellt, wird Bond vom MI6 zum Kartenspielen abkommandiert. Zur Seite steht ihm Vesper Lynd (Licht und Schatten: Eva Green), die vom britischen Schatzamt dazu beauftragt wurde, das zur Verfügung gestellte Geld zu überwachen.

Die Entscheidung der Produzenten, die Hauptrolle mit dem im Mainstreamkino weitgehend unbekannten Daniel Craig zu besetzen, stellte sich als vollkommen richtig heraus: Craig ist als James Bond gleichermaßen coole Sau und Gentleman, weiß mit Waffen ebenso umzugehen wie mit Frauen und lässt dennoch einen menschlichen Kern durch die harte Schale der Abgeklärtheit blicken. Mit ihm als neuem Bond bewerkstelligte GoldenEye-Regisseur Martin Campbell in Casino Royale auch eine erneute Trendwende in Sachen Heldendarstellung: Der neue Bond ist kein glatt polierter Profi mehr, der sich niemals den Anzug schmutzig macht; Er macht Fehler, rennt gänzlich unelegant mit dem Kopf durch die Wand und kriegt im Laufe des Films nicht nur ein paar Kratzer ab, sondern ordentlich auf die Schnauze. So gerieten die Actionszenen zwar um einiges rauer als von den Brosnan-Filmen gewohnt, jedoch nicht übermäßig brutal oder gar blutrünstig, wie in einigen Interviews im Vorfeld angedeutet wurde. Nichtsdestotrotz sind es neben den teils spektakulären und routiniert in Szene gesetzten Actionsequenzen vorrangig die Charaktere, die den Film antreiben. So nimmt Bonds charmant-dramatische Romanze mit Vesper Lynd eine ebenso zentrale Rolle ein wie sein psychologisches Kräftemessen mit Le Chiffre. Leider gingen die Drehbuchautoren Neil Purvis, Robert Wade und Paul Haggis bei der Ausarbeitung der Nebenfiguren weniger sorgfältig vor: Charaktere wie Felix Leiter (Jeffrey Wright) oder der Mittelsmann Mathis (Giancarlo Giannini) werden weder anständig eingeführt, noch entwickelt und sind daher dementsprechend unbedeutend. Sie stehen im Endeffekt symptomatisch für den einzigen wirklichen Kritikpunkt am Film - die völlig überkonstruierte Handlung. Mit dem Legen von falschen Fährten und Basteln von zahlreichen Plotwendungen haben es Haggis und Co. eindeutig viel zu gut gemeint, was den sonst durchweg positiven Gesamteindruck des Films doch um einiges trübt. Gerade im letzten Drittel verliert Casino Royale deutlich an Fahrt und vor allem an Richtung, was den geneigten Zuschauer das große Finale fast schon sehnsüchtig herbeiwünschen lässt. Dieses geriet dann zwar wie erwartet spektakulär, allerdings wäre eine Straffung der insgesamt 141 Spielminuten definitiv notwendig gewesen - da entschädigen auch die teils pointierten Dialoge und ironische Selbstreferenzen nur ein Stück weit.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Experiment mit der Darstellung eines weniger auf Übermensch angelegten James Bond dank eines hervorragenden Daniel Craig eindeutig als geglückt zu werten ist und Casino Royale trotz einiger dramaturgischer Fehler einen unterhaltsamen und spannenden Kinoabend gewährleistet. Auch wenn der gegen Ende etwas lang wird.

Christian Simon