Deutschland, Belgien, Luxemburg 2007
Kinostart: 14.06.2007
Maggie (Marianne Faithfull) ist Ende Fünfzig und seit einigen Jahren Witwe. Ihr Enkel Olly (Corey Burke) ist sterbenskrank, nur eine Behandlung in Australien kann den Kleinen vor dem baldigen Tod bewahren. Doch die Versicherung verweigert ihre Unterstützung und die Eltern des Jungen, Maggies Sohn Tom (Kevin Bishop) und dessen Frau Sarah (Sibohán Hewlett), haben nicht die finanziellen Mittel, um die rettende Operation zu bezahlen.
Maggie macht sich daraufhin auf, einen gutbezahlten Job zu finden. Da sie jedoch weder über eine Ausbildung noch über irgendeine Berufserfahrung verfügt, gestaltet sich die Arbeitssuche äußerst schwierig. In ihrer Verzweiflung möchte sie in einem Sexclub ihr Glück versuchen, der “Hostessen” sucht. Miki (Miki Manojlovic), der zwielichtige Boss des Etablissements, gibt der in die Jahre gekommenen Hausfrau wider Erwarten eine Chance: Räumlich getrennt befriedigt Maggie unter dem Pseudonym Irina Palm via “Guckloch” ihre männliche Kundschaft mit der Hand. Da sie sich als Naturtalent beweist, fließen schon bald nicht nur Körpersäfte, sondern auch das heißersehnte Geld in die Taschen der Oma.
Wer von der Gigantomanie der letzten Kinowochen die Nase voll hat, findet in Irina Palm eine äußerst lohnende Alternative. Dieses wundervolle Stück Arthousekino glänzt nicht nur mit seinem originellen, in allen Belangen pointierten Drehbuch von Philippe Blasband, Sam Garbarski und Martin Herron, sondern auch und vor allem mit seiner Hauptdarstellerin Marianne Faithfull, der es mit kleinsten Gesten gelingt, Worte unnötig zu machen. Und mit welcher Authentizität und Würde die einstmalige Rolling-Stones-Muse und erfolgreiche Künstlerin, die nicht zuletzt wegen ihrer Heroinsucht auf ein äußerst ausschweifendes Leben zurückblicken kann, dieses biedere Hausmütterchen Maggie spielt - das ist schlichtweg sensationell. Und auch das übrige Ensemble spielt überduchschnittlich: Miki Manojlovic (Schwarze Katze, weißer Kater) brilliert mit ausgesprochen sensiblem Spiel, Kevin Bishop und Sibohán Hewlett mimen das sorgenvolle Elternpaar bedrückend intensiv.
Es ist eine echte Wohltat, wie erfrischend ambivalent und fernab aller Klischees die Figuren konzipiert sind. Gleiches gilt für das umfangreiche Konfliktpotential, mit dessen Ausschöpfung Regisseur Sam Garbarski sich trotz zahlreicher Möglichkeiten nicht dazu hinreißen ließ, die Marschrichtung - den Selbstfindungsprozess Maggies durch ihre Zwangslage - aus den Augen zu verlieren. Wem das zu ernst klingen sollte: Keine Angst, Humor und Drama schreiten gleichberechtigt in trauter Zweisamkeit voran.
Fazit: Hinreißend gespielte, angenehm zurückhaltend inszenierte Tragikomödie, die wirklich jedem Filmfreund eine Kinokarte wert sein sollte.
Michael “Eminence” Reisner