USA, Kanada, Holland, 2007
Kinostart: 29.05.2008

Hable con ella

2004 wurde der niederländische Filmemacher Theo Van Gogh von einem muslimischen Fundamentalisten brutal ermordet, nachdem er in einem Kurzfilm muslimische Gewalt an Frauen angeprangert hatte. Da Van Gogh ein bekennender Fan der amerikanischen Kultur und insbesondere Hollywoods war, nahmen seine Produzenten Kontakt zu amerikanischen Filmemachern auf, um drei seiner Filme neu aufzulegen. Der erste Film des sogenannten Triple Theo Projects ist Interview, von und mit Steve Buscemi.

Buscemi spielt den erfahrenen Kriegsberichterstatter Pierre Peders, der wegen einiger selbst fabrizierter Nachrichten bei seinem Chef in Ungnade gefallen ist und nun ein B-Movie-Starlet interviewen soll, anstatt über einen schwelenden Skandal in Washington zu berichten. Er hält mit seiner Verachtung auch kein Stück hinterm Berg, weswegen seine Gesprächspartnerin Katya (Sienna Miller) die Unterhaltung schnell abbricht. Nach einem Autounfall bringt sie ihn jedoch in ihre Wohnung, und im Laufe der Nacht entspinnt sich ein Gespräch irgendwo zwischen Anziehung und Abneigung, bei dem nicht immer klar ist, wer eigentlich wen interviewt.

Ein kammerspielartiges, clever geschriebenes Wortduell zwischen zwei brillianten Schauspielern, durchzogen von knisternder Spannung und gekrönt von einem überraschenden Finale.”

Wie gern hätte ich das über Steve Buscemis Interview-Remake geschrieben. Kammerspielartig ist die Geschichte sicher, denn ca 70 der 84 Minuten spielen in Katyas geräumigen Loft. An den Schauspielern scheitert der Film ebenfalls nicht. Buscemi quillt die Überheblichkeit aus jeder Pore, während Miller, die als Ex-Freundin von Jude Law ihre eigenen Erfahrungen mit der Boulevardpresse gemacht hat, versteht, dass Schauspielerinnen ihrer Gewichtsklasse in erster Linie die Kunst der Verführung beherrschen müssen. Im Laufe der ersten zwei Drittel entwickelt sich aus dieser greifbaren Dynamik ein verbaler Tanz, ein intelligentes Gerangel um Dominanz. Das sexuelle Knistern, das das Drehbuch offenbar vorsah, fehlt jedoch zur Gänze, und die Chemie zwischen Buscemi und Miller beschränkt sich auf den Spaß am Dialog.
Irgendwo im letzten Drittel biegt das Drehbuch dann völlig falsch ab, und auf einmal entwickelt sich zwischen den beiden eine Vater-Tochter-Dynamik, die den Film in eine dubiose Richtung lenkt. Emotionale Narben in allen Ehren, doch ab diesem Punkt bekommt die Balz zwischen den beiden einen besonders unangenehmen Beigeschmack, nicht zuletzt weil der Film diesen Aspekt weder braucht noch nutzt. Darüber hinaus offenbart sich nach und nach ein eklatanter Mangel, der zuvor von den Darstellern übertüncht wurde: Pierre und Katya sind einfach nicht interessant. Beide erzählen gewisse Dinge über sich, um tiefgründig zu erscheinen, doch beide sind professionelle Lügner und der Film macht einen Punkt daraus, dass man nie wirklich weiß, ob das Erzählte wahr ist oder nicht. Somit verpufft auch das ach so überraschende Ende belanglos und macht nur deutlich, dass die beiden Hauptfiguren sich rückblickend nie von den Archetypen entfernen konnten, als die sie eingeführt wurden.

Es war eine nette Idee, die Hassliebe zwischen Künstlern und Presse als Schlagabtausch zwischen Vertretern beider Seiten zu inszenieren. Zu einem gewissen Grad ist es auch spannend, zwei Menschen beim Lügen zuzusehen. Doch ohne einen letzten Akt, der das Hin und her zu einem konsequenten Abschluss bringt, bleibt Interview unbefriedigend und banal.

Felix Flex” Dencker