Deutschland, 2008
Kinostart: 13.11.2008

Zäh Ding will Weile haben

2003 wurde Caroline Link für ihr Sahnestück Nirgendwo in Afrika mit dem Auslands-Oscar ausgezeichnet. Nun kommt ihr mit Spannung erwarteter neuer Film in die Kinos - hat sich das Warten gelohnt?

Ein Jahr ist es her, da kam der 19-jährige Sohn der Familie Richter ums Leben. Zum Andenken an ihn gibt die Mutter (Corinna Harfouch) beim Künstler Max Hollander (Josef Bierbichler) ein Gemälde in Auftrag. Eher nebenbei soll auch Tochter Lilli (Karoline Herfurth) auf das Bild, die seit jeher im Schatten ihres immer lächelnden, immer tüchtigen Bruders stand. Zunächst gibt sie sich entsprechend lustlos, doch nach und nach beginnt die Fassade zu bröckeln. Während Hollander versucht, das Wesen zu ergründen, was sie hinter ihrem Schutzwall verbirgt, stellt sich Lilli den Gefühlen für ihren Bruder.

Das Psychogramm einer komplexen Familie” sollte es werden, doch leider sind sämtliche Mitglieder dieser Familie in simpelste Formeln zu pressen. Da ist die Mutter, deren Leben sich nur um ihren Supersportlersohn drehte und die darüber Tochter und Ehemann vernachlässigte. Letzterer ist nett zu seiner Tochter und hatte ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin. Die Tochter ist egozentrisch, sucht verzweifelt nach Liebe und will sich nicht eingestehen, dass sie ihren Bruder vermisst. Und der Maler? Der ist schwul. Oder nicht, man weiß es nicht so genau. Der Film macht sogar einen Punkt daraus, dass der Bruder keinerlei eigene Persönlichkeit besaß, sondern lediglich als Abbild der Wünsche anderer durch die Welt stapfte.
Falls dies der Grund für seinen Tod war, ergründet der Film diese Tragödie nicht. Und durch das völlig zerfahrene Drehbuch auch sonst wenig. Anstatt eines Kammerspiels à la Die schöne Querulantin gibt es Fetzen aus Beziehungen, Familiendramen und künstlerischen Schaffenskrisen, oft scheinbar wahllos zusammen gewürfelt und nichts davon nennenswert ausgearbeitet. Lilli fängt eine Beziehung mit einem Schmierlappenlatino an, die genau so sinnfrei endet wie sie beginnt, und die ebenso wenig Relevanz für die Geschichte hat wie Hollanders Beziehung zu seinem entfremdeten Sohn. Der Film folgt Maler und Modell in ihr Privatleben, beim Tanzen, beim Zeitunglesen im Schwimmbad, auf einer Vernissage, beim Kaffeetrinken an einer Tankstelle, zeigt Lillis Eltern beim Streit um eine neue Wohnung, und so weiter und so fort, ohne erkennbaren Sinn oder Mitleid für die Geduldsfäden der Zuschauer. In der letzten Viertelstunde werden schließlich all die Charakterentwicklungen abgehandelt, die in den Stunden zuvor auf die bedeutungsschwangeren Nahaufnahmen warten mussten.

Hübsch gefilmt, gut gespielt, und leider elends langweilig. Wer sehen will, wie eine Familie nach dem Tod des vermeintlich perfekten Sportlersohnes auseinander fällt, ist mit Dan Harris’ Imaginary Heroes besser bedient. Wirklich schade.

Felix Flex” Dencker