USA, 2009
Kinostart: 16.07.2009
Hogwart’sche Hormonie
Nach dem Kampf gegen Voldemort und seine Todesser, der Harry Potters Patenonkel Sirius Black das Leben kostete, nimmt der Einfluss des dunklen Lords stetig zu. Selbst die Muggelwelt, jene der Normalsterblichen, ist vor den Übergriffen seiner getreuen Schergen nicht mehr sicher. Professor Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts und der einzige Zauberer, der Voldemorts schwarzer Magie gewachsen ist, versucht unverdrossen, einen Schwachpunkt seines Widersachers zu finden. Dazu erforscht er, gemeinsam mit seinem Zögling Harry, die Vergangenheit Voldemorts, in der Hoffnung, nützliche Hinweise zu finden. Das Zünglein an der Waage scheint hierbei der neue Lehrer für Zaubertränke zu sein, Professor Horace Slughorn. Zu dessen ehemaligen Schülern zählte nämlich ausgerechnet Tom Riddle, der spätere Lord Voldemort.
Derweil regiert in Hogwarts das blanke Gefühlschaos, denn die Hormone der jugendlichen Schüler spielen völlig verrückt: Ron geht mit seiner schwer verliebten Mitschülerin Lavender Brown, was Hermine vor Eifersucht toben lässt. Und Harry verliebt sich klammheimlich in Rons Schwester Ginny. Zumindest im Unterricht läuft aber alles wie geschmiert. Dank eines alten Schulbuches, dessen ehemaliger Besitzer sich “der Halbblutprinz” nannte, avanciert er zum Star im einst so verhassten Zaubertränke-Fach, das mittlerweile von Professor Slughorne übernommen wurde. Severus Snape, jetzt endlich Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, scheint derweil mit Harrys Erzfeind Draco Malfoy zu konspirieren.
Doch Snape genießt nach wie vor das Vertrauen Dumbledores. Ein folgenschwerer Fehler?
Schon die Zusammenfassung des Inhalts des mittlerweile sechsten Harry-Potter-Kinoabenteuers macht deutlich: Im Gegensatz zum klarer strukturierten fünften Teil, der in Kenntnis aller sieben Bücher mehr denn je wie ein hinhaltetaktisches Übergangswerk wirkt, ist in Harry Potter und der Halbblutprinz eine erkleckliche Anzahl an Nebenhandlungen zu finden. Diese zu kürzen, ohne den Fokus aufs Wesentliche zu verlieren, ist Steve Kloves, dem angestammten Autor der Bestsellerverfilmungen (mit Ausnahme des fünften Teils), überwiegend gut gelungen. Natürlich werden Fans der Bücher wieder viele Szenen vermissen und die eine oder andere Änderung gegenüber der Vorlage verteufeln. Deren Geist ist Kloves jedoch treu geblieben. Die Kürzungen sind überwiegend sinnvoll, was sowohl der Dynamik als auch dem angenehm einheitlichen Tempo des Films zugutekommt. Letzteres ist im Übrigen nicht allzu hoch, doch die gekonnte Mischung aus den amüsanten Schüler-Liebeleien und der
Verschwörungsgeschichte um Malfoy lassen in Verbindung mit den geschickt eingestreuten Actionsequenzen in den gut zweieinhalb Stunden keine Langeweile aufkommen.
Die Entdeckungsreise in Voldemorts Vergangenheit sowie die Geheimniskrämerei um den ominösen Halbblutprinzen bleiben dabei bewusst ein wenig auf der Strecke, jedoch ohne essentielle Inhalte einzubüßen. Ein kleines Manko stellt das abgekürzte und leicht veränderte Finale dar, das im Buch temporeicher und ungleich spannender daherkam. Ein großes Lob gebührt den vorzüglichen Produktionswerten des Films: Kameramann Slawomir Idziak (King Arthur) hat, gemeinsam mit den Ausstattungs- und Effekteteams, die Vorgaben von Regisseur David Yates hervorragend umgesetzt. Herausgekommen ist ein ebenso beeindruckender wie eigenständiger visueller Stil, der nicht nur mit seinem Detailreichtum punkten kann, sondern auch massenhaft Schauwerte abseits der Actionszenen zu bieten hat. Nicholas Hoopers unaufdringlicher, dafür umso pointierterter Score sei hier als Tüpfelchen auf dem i erwähnt. Und wenn wir schon bei den Streicheleinheiten sind: Es ist abermals ein Genuss, den brillianten
Nebendarstellern, u.a. Helena Bonham Carter (Bellatrix Lestrange), Maggie Smith (Professor Minerva McGonagall), dem neu dazugekommenen Jim Broadbent als Professor Slughorn und vor allem Alan Rickman als Severus Snape zuzusehen. Und Michael Gambon, der ab dem dritten Teil in die übergroßen Fußstapfen des viel zu früh verstorbenen Richard Harris als Albus Dumbledore getreten war, hat in seiner Rolle noch nie so überzeugt wie dieses Mal. Bei den Jungakteuren hat sich, wie auch schon beim Vorgänger Harry Potter und der Orden des Phönix, der gute Draht zu David Yates bewährt, der selbst einem offenkundig limitierten Schauspieler wie Daniel Radcliffe eine ansehnliche Leistung entlockt.
Fazit: Stilsichere, optisch prächtige Kinoadaption des Joanne-K.-Rowling-Wälzers, die neben den gewohnt guten Darstellern auch inhaltlich überzeugt.
Michael “Eminence” Reisner