Kinostart: 30.11.2006
Pinguine aller Eisschollen, vereinigt euch! Der Adler als Wappentier politischer Bewegungen hat endgültig ausgesorgt. Seit Die Reise der Pinguine, Luc Jacquets Parabel des (Über-)Lebens, liegt es an weniger graziösen Vögeln, Denkansätze für eine bessere Weltordnung zu verbreiten.
Niedlich sind die Pinguine natürlich immer noch - besonders in Happy Feet, wo die kleinen Kerle singen, tanzen und lieb dreinschauen. Aber unter dem süßen Äußeren steckt eine bittere Wahrheit von Globalisierungswahn und religiöser Engstirnigkeit.
Vordergründig erzählt die CGI-Komödie eine moderne Dumbo-Variante: Jeder Pinguin muss das Lied in seinem Herzen entdecken, um die Liebe und seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Singen kann der Spätentwickler Mumble jedoch überhaupt nicht, dafür ist er ein Meister des Stepptanzes. Wegen seiner Einzigartigkeit wird der Gene Kelly der Antarktis von den Pinguin-Ältesten zum Sündenbock für die Futterknappheit erklärt und verbannt. Um seine Unschuld zu beweisen und sein Volk zu retten, macht er sich auf die Suche nach den “Außerirdischen”, die den Fischvorrat plündern.
Acht Jahre ist es her, seit George Miller mit Schweinchen Babe in der großen Stadt das Konzept des artigen “Family Entertainment” untergraben hat. Der kommerzielle Erfolg blieb aus, der Ausflug in die düsteren Ecken der Familienunterhaltung markierte seinen vorerst letzten Film. Durch Happy Feet wiegt er nun erneut Spaß mit Trostlosigkeit und sozialkritischen Botschaften ab. Dabei die Balance zu halten, ist schwierig: Musik-Einlagen bringen Schwung in das Außenseiter-Abenteuer, werden aber stellenweise überstrapaziert. Die kinderfreundliche Komik beschränkt sich auf das Notwendigste - also für Erwachsene unerquickliche Späße, nämlich die Sprüche und Missgeschicke von Mumbles Freunden, Adeliepinguinen mit Latino-Gehabe.
Dieses Ungleichgewicht lässt sich aber soweit verschmerzen: Happy Feet erreicht in seiner ersten Hälfte allemal die Kurzweiligkeit von amüsanten, aber belanglosen CGI-Filmen wie Madagascar oder Über die Hecke.
Mit jeder neuen Stepp-Nummer und jedem entschlossenen Blick von Mumble verstärkt sich die Erwartungshaltung gegenüber einem beliebigen Happy End samt schnell vergessener Botschaft. Die routinierte Sprecher-Riege vom Elvis imitierenden Hugh Jackman bis zum eingebremsten Robin Williams bestärkt in der Originalfassung nur noch diesen Eindruck.
Gezielt gesetzte Andeutungen und beängstigende Action-Sequenzen bauen aber ein unerwartet trostloses Finale auf, bei dem ein glücklicher Ausgang keine Selbstverständlichkeit mehr ist. George Miller demontiert so selbst das Spaßpotential seines Films. Wie er vorher schon das Federleichte übertrieben hat, geht er nun für kleine Kinder wohl einen Schritt zu weit ins Dunkle.
Gerade so hebt sich Happy Feet mutig von der sich allmählich einstellenden Fließbandarbeit im CGI-Bereich ab. Millers radikal andere Art der Familienunterhaltung stellt die Welt zwar immer noch als schönen Ort dar - selbstverständlich unter Ausreizung der computertechnischen Möglichkeiten. Die Ungerechtigkeiten und Gefahren des Lebens, die Mumble mit voller Wucht treffen, machen aber überdeutlich, dass diese Schönheit nicht selbstverständlich ist und sich nur in ganz seltenen Momenten zeigen will.
Happy Feet versucht in ungeschickter Weise, das Publikum aller Altersklassen zu unterhalten, wühlt das Gemüt dann aber schließlich in jedem Fall tief greifend auf. George Miller pflegt den feinen Unterschied: Er schließt seine komplexe, aber an der Oberfläche plumpe Fabel nämlich nicht mit dem Credo “Ende gut, alles gut” ab, sondern mit der Frage: “Ende gut, alles gut?”
Markus “Marv” Grundtner