Frankreich, Großbritannien, USA, 2007
Kinostart: 15.02.2007

Litauen, während des zweiten Weltkriegs: Der zehnjährige Hannibal Lecter (Aaron Thomas) muss mitansehen wie seine Eltern bei einem Flugzeugangriff der Nazis getötet werden. Er und seine kleine Schwester Mischa (Helena-Lia Tachovska) können sich retten, werden jedoch schon bald von ein paar Söldnern entdeckt, die sich auf der Flucht vor den Russen befinden. Im bitterkalten Versteck wird der Hunger von Tag zu Tag größer. Hannibal muss tatenlos zusehen, wie Misha von den brutalen Männern getötet und anschliessend verspeist wird.
Achthm?yo Jahre später hat der Vollwaise, mittlerweile von Gaspard Ulliel verkörpert, Zuflucht bei seiner betörenden Tante Lady Murasaki (Gong Li) in Frankreich gefunden. Der zum jungen Mann herangereifte Hannibal kennt nur ein Ziel: die Mörder seiner Schwester zu finden und zu töten - so grausam wie irgendwie möglich.

Hannibal Lecter gehört seit vielen Jahren zu den bekanntesten Filmfiguren überhaupt. Anthony Hopkins’ Darstellung des hochintelligenten Kannibalen ist Legende und wertete selbst Hannibal und Roter Drache, die dem qualitativen Vergleich zum unerreichten Das Schweigen der Lämmer nicht standhalten konnten, beträchtlich auf. Hannibal Rising kann als lupenreines Prequel nicht auf den Bonus hopkins’scher Schauspielkunst setzen und geht, aus diesem und anderen Gründen, mit wehenden Fahnen unter.

Das Hauptproblem liegt im Drehbuch von Thomas Harris, der auch die millionenfach verkauften Buchvorlagen schrieb. Zeichneten sich die bisher verfilmten Geschichten, neben der hochinteressanten, charismatischen Hauptfigur selbst, vor allem durch intelligente und hochspannende Plots aus, so muss Hannibal Rising mit einer plumpen Rachestory auskommen, die jedwede Finesse vermissen lässt. Dem grundsätzlich vorhandenen Problem der Entmystifizierung des Menschenfressers, indem man dessen Weg vom unschuldigen Jungen zum mordenden Monster zeigt, versuchte man durch perfide Coming-of-Age-Storyelemente Herr zu werden. Doch bereits mit der Ankunft Hannibals bei seiner verwitweten Tante, die nebenbei auch noch recht schnell zum Love-Interest des Jünglings mutiert, verrannte man sich in uninspirierten Szenarien wie Schwertkampftrainingseinheiten und Nachhilfestunden in fernöstlicher Kriegerkastenphilosophie. Das Wiederauftauchen der Mörder von damals wirkt zudem reichlich konstruiert, die nachfolgende Vendetta wurde in allerlei Horrorfilmen von der Stange bereits besser umgesetzt. Darüber hinaus sorgt Gaspard Ulliel (Mathilde - Eine große Liebe) mit seiner vor allem im letzten Drittel heillos übertriebenen Mimik für unfreiwillig komische Momente und Gong Li (Miami Vice) begnügt sich ausschließlich mit besorgtem Dreinblicken. Rhys Ifans spielt den Hauptbösewicht Grutas mit Gusto, scheitert aber letztendlich an der allzu comichaften Zeichnung seines Filmcharakters.

An der handwerklich soliden Inszenierung von Peter Webber, der mit Das Mädchen mit dem Perlenohrring mehr als nur eine Talentprobe ablieferte, gibt es wenig auszusetzen. Doch auch er muss sich den widrigen Umständen beugen.

Fazit: Hannibal Rising ist nicht das erwartete Fiasko geworden, sehenswert macht ihn das aber noch lange nicht. Thomas Harris möge dem Kannibalen doch nun bitte den wohlverdienten Ruhestand gönnen.

Michael Eminence” Reisner