Italien, 2008
Kinostart: 11.09.2008
Zwischen der Mafia und den Filmen über sie besteht eine enge Wechselwirkung.
Der Film zeigt sich fasziniert von der parallelen Gesellschaft, die nach ihren eigenen Werten lebt und stirbt, während sich die Mafiosi vom Glamour ihrer Leinwandgegenstücke beeinflussen lassen. So geben sich ihre Bosse erst seit Coppolas Der Pate diesen Titel und imitieren Gangster auf der ganzen Welt den Stil Tony ‘Scarface’ Montanas oder Vincent Vegas.
Dem italienischen Regisseur Matteo Garrone wird das Verdienst zuteil, diesen glamorösen Mythos grundlegend zu entzaubern. Sein Film Gomorrha nach dem gleichnamigen Bestsellerroman von Roberto Saviano zeigt fünf Episoden aus dem Geburtsland des organisierten Verbrechens. An den Originalschauplätzen, den Slums rund um Neapel, mit ihren wirklichen Bewohnern als Darstellern wird an fünf Schicksalen gezeigt, wie unerbittlich und absolut die Herrschaft der Camorra in diesem Mikrokosmos ist. Während die beiden Scarface-Epigonen Marco und Ciro den Bossen auf der Nase herumtanzen, indem sie Waffen- und Drogendepots ausräumen, sucht der junge Totò einen systemkonformen Weg nach oben und gerät zwischen die Fronten eines Bandenkrieges. Weder Verweigerung noch Gehorsam gewähren Schutz vor dem Blutdurst des Systems, der sich vorwiegend an den Schwächsten stillt. Als ein Giftmülltransport den Lkw-Fahrern zu heikel wird, setzt der Mafioso eben Kinder hinter das Steuer. So wird der
Ehrbegriff der “good people” schonungslos als ein Imperativ von Verrat, Feigheit und Gier entlarvt. Und da diese hässliche Fratze das Gegenteil von Glamour ist, wird Gomorrha nie Kult sein. Sondern nur ein großer Film.
Sven Ole Leisure Lorence Lorenzen