USA, Großbritannien, Frankreich 2007
Kinostart: 29.05.2008
Ann (Naomi Watts), ihr Ehemann George (Tim Roth) und der gemeinsame Sohn Georgie (Devon Gearhart) freuen sich auf ihren alljährlichen Urlaub im eigenen Strandhaus. Doch anstelle von gemeinsamen Grillfesten mit Freunden erwartet die glückliche Familie der blanke Terror. Unter dem Vorwand, von den Nachbarn geschickt worden zu sein, verschaffen sich zwei junge Männer (Brady Corbet und Michael Pitt) Zutritt in die bis dato so friedvollen vier Wände ihrer Opfer. Psychische und physische Folterspiele folgen.
Über Sinn und Unsinn von Remakes zu diskutieren, ist für Filminteressierte mittlerweile fast schon alltäglich. Funny Games deshalb als bloßes “Remake der Woche” abzutun, würde dem kontroversen Stück Film jedoch sicherlich nicht gerecht. Schon das österreichische Original aus dem Jahr 1997 sorgte im deutschsprachigen Raum für einigen Wirbel. Die einen begrüßten das kollektives Abwatschen des Bildungsbürgertums und die offensiv formulierte Medienkritik, die anderen verdammten die plumpe Methodik und die allzu einfachen Schlussfolgerungen.
Über die Hintergründe, weshalb sich Michael Haneke - mittlerweile mit Filmen wie Die Klavierspielerin und Caché zu einem der angesehendsten Vertreter des europäischen Arthauskinos aufgestiegen - zu einem Us-Remake seines eigenen Filmes entschloss, kann man nur spekulieren. Da stilistisch und inhaltlich keine Veränderungen stattfanden, weil der Regisseur darauf bestand, ganz im Stile von Gus van Sants Fiasko Psycho sowohl die Kameraeinstellungen als auch die Dialoge Eins zu Eins zu kopieren, dachte Haneke offenbar, dass mit der Umsetzung desselben Stoffes in anderer Umgebung eine größere Wirkung zu erzielen sei.
Zum einen schafft die Verlegung in die USA ein ungleich glaubwürdigeres Umfeld, da die Schere zwischen den Bildungsschichten erheblich weiter auseinanderklafft als es im alten Europa und speziell in Österreich (trotz Pisa-Debatte) der Fall ist. Zum anderen nützt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten die manipulative Kraft der Medien wie kaum ein anderes und produziert darüber hinaus einen Großteil jener vieldiskutierten Filme und Videospiele, die Sittenwächter für den moralischen Verfall unserer Jugend (mit)verantwortlich machen. Soll heißen: Funny Games, die Zweite, passt einfach besser ins Bild. Dies und die starke Ensembleleistung, angeführt von einer eindringlich aufspielenden Naomi Watts und dem auf den Punkt besetzten Michael Pitt, machen aus der Us-Variante mehr als einen bloßen Abklatsch.
Die Schwächen, an denen bereits das Original krankte, können dadurch aber kaum kaschiert werden.
Haneke versteht es einerseits perfekt, Gewalt so beiläufig, kühl und blutleer zu inszenieren, dass die Schockwirkung um ein Vielfaches größer ausfällt als bei Gewaltorgien der Marke Hostel & Co. Diese eigenwillige Form der Subtilität kommt ihm aber auf der intentionalen Vermittlungsebene oftmals völlig abhanden. Als Beispiel sei hier der plakative, äußerst einfältige Einsatz von Musikstücken erwähnt: So darf die durch die sittsame Bilderbuchfamilie verkörperte Bildungselite in der Eröffnungsszene heiteres Opernraten spielen, während der abgestumpfte Folterer mit dem Engelsgesicht bei der Verfolgung von Klein-Georgie mal schnell Heavy-Metal-Geknüpple in den Cd-Player einlegt. Der Wink mit dem Holzhammer.
Stilistisch vertraut Haneke abermals auf lange, statische Kameraeinstellungen, die den Zusehern zwar einiges an Geduld abverlangen, aufgrund der starren Fokusiertheit ohne jedwede “störende” Elemente wie schnelle Schnitte oder emotionsunterstützende Musik ihre empathische Wirkung aber nicht verfehlen und das Leid der Protagonisten nur noch greifbarer machen. Zudem wird der Zuschauer auch direkt ins Geschehen mit eingebunden, indem Michael Pitts Paul Worte und Blicke ans Publikum richtet - ein effektvolles Mittel zum Zweck.
Fazit: Wirkungsvoll bebilderte, stark gespielte Psychofolter, deren intellektueller Deckmantel so manch ärgerliche Plattheit nicht verbergen kann.
Michael “Eminence” Reisner