Originaltitel: Flushed Away
USA, 2006
Kinostart: 07.12.2006
Roddy ist eine ziemlich gesittete Haus-Maus. Er lebt im gepflegten Londoner Stadtteil Kensington sprichwörtlich im goldenen Käfig.
Doch der Hausfrieden wird empfindlich gestört, als es in der Kanalisation rumort und die ungehobelte Kanalratte Sid auftaucht. Während Sid die Wohnung unter Beschlag nimmt, ersinnt Roddy einen Plan, um den ungebetenen Gast wieder auf die Heimreise zu schicken. Aber die Sache geht nach hinten los: Roddy landet selbst in der Kanalisation - und macht sogleich Bekanntschaft mit ihren merkwürdigen Bewohnern…
Roddy kommt mit der typischen Knuffigkeit daher, die die meisten Charaktere aus dem Hause Aardman auszeichnet - allen voran Erfinder Wallace und sein Hund Gromit. Anders als deren oskarprämiertes Abenteuer Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen entstand Flutsch und weg allerdings vollständig bei DreamWorks in Kalifornien. Die Kanalisation und ihre Bewohner wurden dort nicht aus Plastilin erschaffen, sondern rein mit Hilfe von Siliziumchips in Bewegung versetzt.
Doch bestand der Charme der Aardman-Filme nicht genau darin, der Knetmasse Leben einzuhauchen? Liegt nicht die Crux der reinen Cg-Animationsfilme darin, dass sie merkwürdig steril wirken? Wer solche Fragen stellt, gerät in eine ähnliche Lage wie Roddy, der seine neue Umgebung anfangs mit Unbehagen betrachtet und auf schnellstem Wege zurück in die vertraute Wohnung will. Doch auf den zweiten Blick hat die bunte Welt unter Londons Oberfläche einiges zu bieten.
Zunächst mal sind das die skurrilen Charaktere: Durch seine Tollpatschigkeit gerät Roddy in die Fänge des Schurken Toad. Vordergründig ist die fette Kröte auf Prunk und Reichtum aus. Doch in Wahrheit hat es das ehemalige Haustier von Prince Charles nie verwunden, in die Kanalisation verstoßen worden zu sein. Heimlich hegt er tiefen Groll gegen seine nagenden Mitbewohner. Trotzdem versteht er es, die (eher gutmütige) Albino-Laborratte Whitey und seinen dürren (und fiesen) Kollegen Spike als tumbe Handlanger einzusetzen. Zum Glück gibt es da noch Mäusefrau Rita, die den Übelwichten einiges an Cleverness entgegenzusetzen weiß - doch auch sie erkennt nicht das volle Ausmaß der finsteren Pläne.
Natürlich bahnt sich zwischen Roddy und Rita eine Romanze an, doch stolpert Roddy dabei mehrfach über seine eigenen Füße. Leider wirkt Rita - die man anfangs für eine wilde Piratenbraut halten könnte - im späteren Verlauf des Film ein wenig zu zahm. Was dem ungleichen Pärchen aus Smokingträger und Überlebenskünstlerin an eigener Sprengkraft fehlt, wird aber durch den Auftritt von Le Frog mehr als wett gemacht. Er und seine Ninja-Frösche sollen Roddy und Rita einen Gegenstand abjagen, den Toad für die Umsetzung seines Masterplans braucht. Es kommt zu einer irrwitzigen Verfolgungsjagd durch die Kanalisation, bei welcher der Film die Stärke der Cg-Animation voll ausspielen kann. Denn wilde Action im und auf dem Wasser wäre mit Knetmasse kaum zu realisieren. Trotzdem zeigt die Welt unter dem Abflussrohr viel vom typischen Aardman-Stil: Unter anderem tauchen Alltagsgegenstände ständig in ganz neuer Funktion auf: etwa wenn Spike und Whitey auf Küchenquirl-Jetskis durch den Kanal rasen und Ritas Boot verfolgen, dessen Dampfkessel mal eine Dose Baked Beans war. Da ist es auch leicht verzeihlich, dass auf solch zweckentfremdeten Gegenständen meist ein Markenname prangt. Das “Product Placement” im Abwasserkanal wirkt nämlich ziemlich schräg und sorgt schon ganz alleine für Gelächter im Kinosaal. Absolut grandios ist dabei eine slapstickartige Einlage, in der die Kröte lebensgroß auf dem Display eines Handys erscheint, das von einem pantomimischen Frosch getragen wird.
Spaßig sind auch die Auftritte - oder besser: Aufkrieche - der zahllosen Nacktschnecken, deren Spuren den ganzen Film (und den Abspann) durchziehen. Gegenüber all den Details und kleinen Gags am Rande fällt bei insgesamt knapper Spielfilmlänge der große Showdown leider etwas überhastet aus, ein bis zwei zusätzliche Minuten hätten nicht geschadet.
Insgesamt ist Flutsch und weg ein netter, sehr familientauglicher Animationsfilm. Wer nicht seines Anhangs wegen in die deutsche Fassung geht, sollte der prächtig synchronisierten Originalversion den Vorzug geben. Denn dort dürfen sich Ian McKellen und Jean Reno als Toad und Le Frog britisch-französische Nickeligkeiten um die Ohren hauen. Roddy und Rita, im Original vertont von Hugh Jackman (X-Men) und Kate Winslet (Finding Neverland) werden hierzulande übrigens gesprochen von Ralph Bauer und Jessica Schwarz.
Wer den Kinosaal nicht mit einer bedingungslos nostalgischen Grundhaltung betritt, wird mit Roddy und seinen Artgenossen seinen Spaß haben. Zwar wird Flutsch und weg wohl kaum solchen Ruhm wie Wallace & Gromit ernten. Schließlich konnten sich die Knetfiguren nicht nur durch die Machart ihrer Filme von der Konkurrenz abheben, sondern wirkten dabei auch deutlich eingespielter als das Mäuseduo Roddy & Rita. Mit Flushed Away ist es aber gelungen, die typisch komische Claymation-Mimik der Aardman-Filme weitestgehend zu bewahren und gleichzeitig eine große, bunte und nicht zuletzt feuchte Kanal-Umwelt mit sehr ulkigen Bewohnern zu schaffen.
Heiko “Tico” Titz