Originaltitel: United 93
Großbritannien, Frankreich, USA, 2006
Kinostart: 01.06.2006
Die terroristischen Anschläge des 11. September 2001 markierten einen weltpolitischen Wendepunkt, die weitreichenden Folgen sind bis heute mit unzähligen Toten verbunden.
Paul Greengrass, Regisseur des gelungenen Agententhriller-Sequels Die Bourne Verschwörung, widmet Flug 93 den Passagieren des United Airlines Fluges 93 von New York in Richtung San Francisco und deren Hinterbliebenen. Während die restlichen drei entführten Flugzeuge ihre Ziele - das World Trade Center sowie das Pentagon - trafen, verhinderten die Insassen besagter Maschine durch ihr beherztes Eingreifen den Plan der Entführer, das Kapitol oder das Weiße Haus zu zerstören.
Greengrass, der sich auch für das starke Drehbuch verantwortlich zeigt, schildert in Echtzeit die fiktiven Ereignisse an Bord und am Boden in zum Teil stark dokumentarischem Inszenierungsstil. Die unruhige, ungeheuer effektive Kameraführung von Barry Ackroyd, gepaart mit dem Rekonstruktionsanspruch der tatsächlichen Ereignisse durch den Regisseur selbst, der durch akribische Recherchen dem Gezeigten eine angenehme Aura der Sachlichkeit, ja fast schon Schlichtheit verpasst, machen aus Flug 93 eine authentisch-qualvolle Tour de Force, die kaum jemanden kalt lassen wird. Und obwohl jedem Zuseher der Ausgang der tragischen Geschichte bekannt ist, schafft es Greengrass mit der tatkräftigen Unterstützung seines überzeugend agierenden Ensembles ein Level an Spannung zu erreichen, das schon lange nicht mehr in einer derartigen Konzentration auf Zelluloid gebannt wurde.
Neben erwähntem Echtzeitfaktor und dem beengten Schauplatz des Geschehens, ist vor allem die Interaktion mit den Angehörigen und deren Konfrontation mit den Anschlägen via Tv-Bildschirm für die über die gesamte Spielzeit andauernde, intensive nervliche Anspannung des Zusehers verantwortlich. Zusätzlich rührt jedes einzelne der bestürzenden Schicksale der zum Tode verurteilten Passagiere zu Tränen. Dass Greengrass es schafft, Empathie ohne falschen Pathos zu erzeugen und darüberhinaus die Terroristen wertfrei als situationsbedingtes Feindbild skizziert, jedoch ohne zu diskriminieren, gehört zu den großen Verdiensten eines Filmes, der nicht deshalb so wertvoll ist, weil etwa neue Erkenntnisse über die 9/11-Anschläge ans Licht kommen würden, sondern vielmehr weil er zeigt, wie unmittelbar und nachhaltig radikale politische Idiologien jedweder Coleur die Schicksale unschuldiger Opfer bestimmen. Gleichzeitig verneigt sich Greengrass mit seinem ambitionierten Werk vor der Courage und
Tapferkeit der Fluggäste, die ihrer Angst trotzten und in vollem Bewusstsein ihres baldigen Todes eine Vielzahl an Menschenleben retteten. Auch dieser Widerstandsakt wird angemessen dramatisch, doch ohne hollywood´schem Hang zur Schwülstigkeit präsentiert.
Der Regisseur beschließt sein Werk mit der Absturzstelle und lässt diese im Zeitraffer zum nun wieder friedlichen Waldstück werden: Ein “Nach vorne Schauen” ohne Vergangenes zu verdrängen.
Flug 93 ist spannendes, berührendes, aufwühlendes und vor allem wichtiges Kino. Hier geht es nicht um die Legitimation der fragwürdigen politischen Enscheidungen nach 9/11. Hier geht es auch nicht um die Diffamierung ganzer Volksgruppen. Und es geht schon gar nicht darum die USA als eine Nation voller Gutmenschen zu proklamieren. Worum es geht, ist die glaubhafte und menschliche Schiderung der zutiefst schmerzhaften Ereignisse des 11. September 2001, einem Tag der die Welt verändert hat. Paul Greengrass ist ein Film zu verdanken, der weh tut, zu Herzen geht und einen so schnell nicht wieder los lässt.
Michael “Eminence” Reisner