Uk/Irland, 2009
Kinostart: 17.06.2010

Der Übergang

Ein junger Mann macht sich vorm Spiegel ausgehfertig. Abgesehen vom Bruce-Lee-Poster an der Wand hat sich sein Zimmer hat sich noch nicht weit vom Kinderzimmer wegentwickelt.
Seine Eltern denken, er geht tanzen, doch stattdessen schießt er einem Mann drei Kugeln in den Kopf, weil er Katholik ist. Wir schreiben das Jahr 1975, und der Nordirlandkonflikt ist auf dem Siedepunkt.
30 Jahre später sollen der Täter und der Bruder des Opfers, der den Mord mitanschauen musste, im Rahmen eines Fernsehinterviews aufeinander treffen. Wird es eine tränenreiche Aussöhnung geben oder ein erneutes Aufflammen des alten Hasses?

Guy Hibberts Drehbuch vermischt auf faszinierende Weise Realität und Fiktion. Tatsächlich erschoss 1975 der 16jährige Alistair Little den Bruder des damals 11jährigen Joe Griffin.
Doch die beiden haben sich bis heute nicht wieder getroffen. In zahlreichen Interviews erarbeitete Hibbert ein Szenario, das möglichst nahe an die fiktiven Reaktionen der Betroffenen heranreichen sollte. Die beiden Hauptrollen wurden von den irischen Stars Liam Neeson und James Nesbitt übernommen, die Regie vom deutschen Regisseur Oliver Hirschbiegel.
Der Aufbau der Geschichte ist äußerst gefällig. Im ersten Akt wird mit dem Attentat auf unpathetische Art ein Alltag zwischen Beschaulichkeit und Terror eingefangen. Auch die Einführung der beiden Charaktere 30 Jahre später gefällt. Da sich das Aufeinandertreffen immer wieder aufschiebt, legen beide ihre Standpunkte in gelungenen Dialogen oder sich selbst in weniger gelungenen inneren Monologen dar. Little ist mittlerweile ein Handlungsreisender im Dienste der Friedensstiftung geworden und berät Bürgerkriegsopfer in der ganzen Welt. Griffin ist der letzte Hinterbliebende seiner Familie und voller Hass auf den Mörder seines Bruders, leidet aber auch an irrationalen Schuldgefühlen. Die Vorbereitungen am Fernsehset sind als eine paradoxe und bizarre Situation eingefangen, in der sich die Macher zwar der delikaten Situation bewusst sind, aber gleichzeitig ein Medienereignis orchestrieren müssen.
Leider jedoch kann die eigentliche Begegnung dem gelungenen, subtilen Aufbau nicht gerecht werden und wirkt wie aus einem anderen Film eingefügt, etwa aus Liam Neesons Taken.
Daher erhält Griffin nie die Gelegenheit, Littles Selbstinszenierung als irischer Ghandi in direkter Konfrontation zu erschüttern.
Der Film will zwar zeigen, wie der Zirkel der Gewalt letztendlich durchbrochen werden kann, hat aber ironischerweise ebensowenig die Mittel, diesen Vorgang zu inszenieren wie die Macher des fiktiven Fernsehinterviews.

Sven Ole Leisure Lorence” Lorenzen