Kinostart: 14.12.2006
Filmfreunde leben in einem dunklen Zeitalter: die Macht der Fantasielosigkeit hat Drehbuchschreiber und Regisseure geknechtet, so dass sie ständig die gleichen Geschichten wiederkäuen müssen. Der eine oder andere Filmemacher kann seine Fesseln durch raffinierte Erzählweise lockern. Häufiger sorgen aber Riesen-Budgets dafür, dass selbst dem geschulten Kritiker-Auge die Neuverpackung bewährter Konzepte nicht auffällt. Zum Glück gibt es aber auch Werke wie Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter, dummdreiste Filme, denen es nicht nur an Kreativität, sondern auch am Geld mangelt, so dass für jedermann sichtbar wird, was im Filmgeschäft alles falsch laufen kann.
Eragon wurde von einem Regisseur, dessen Namen wir nicht nennen wollen, grob darauf hingezimmert, die heurige Fantasy-Lücke im Weihnachtskino zu füllen und einem alterslosen Harry Potter-Publikum zu gefallen. Die Romanvorlage von Eragon hat sich für dieses Unterfangen wunderbar angeboten: Schon der Autor, dessen Namen wir nicht nennen wollen, hat bewiesen, dass Fantasy und Fantasie zwei grundverschiedene Dinge sein können. Wesen wie Drachen, Elfen und leicht verfremdete Orks kennt doch sowieso schon jeder, warum sich also anstrengen und zur bekannten Mythologie selbst etwas dazu erfinden? Inspiration für seinen Plot holte er sich dann zusätzlich von George Lucas, der sich ja wiederum reichlich bei J.R.R. Tolkien bedient hat.
In der Geschichte von einem Jugendlichen für Jugendliche kommt der Bauernjunge Eragon in den Besitz eines Drachen-Eis. Der böse König Galbatorix, der sich kein Schloss leisten kann, sondern in einer Berghöhle haust, hat aber schon alle alten Drachen samt ihren Besitzern getötet. Nun ist Galbatorix, ein wie gewöhnlich gelangweilter John Malkovich, auch hinter der nächsten Drachenreiter-Generation her.
Also töten die Schergen des Königs erbarmungslos Eragons Onkel und lassen Eragon nur eine Möglichkeit - die Flucht nach vorne. In Eragons Heimatdorf lebt auch ein weiser alter Mann namens Brom, der sich als magiebegabter Lehrmeister entpuppt. Jeremy Irons, den Dungeons & Dragons schmerzfrei gemacht hat, begleitet als Obi-Wan … oh, mein Fehler, ich meine natürlich … Brom den hitzköpfigen Eragon nur so lange, bis es Zeit wird sich für seinen Schützling zu opfern.
Die einfältige Abenteuergeschichte, die im Buch auf 600 Seiten aufgeblasen wurde, erreicht in der Filmadaption eine epische Länge von 95 Minuten. Trotz dieser Verdichtung gewinnt der Film kaum an Tempo. Es bleibt sogar noch viel Zeit für ausladende Panorama-Aufnahmen von unberührten Berglandschaften. Wäre nun das Vertrauen der Geldgeber in den Film größer gewesen, würden wenigstens die Innenräume nicht so karg aussehen wie ein wieder verwendetes Set der Tv-Serie Xena. Kaum mitreißen können wegen diesem Mangel auch die Spezialeffekte, denen man die Trickserei zur Kaschierung des geringen Budgets schmerzlich ansieht. Die Drachenfrau Saphira wirkt dadurch weniger wie Draco aus Dragonheart, sondern mehr wie Paff der Zauberdrache.
Kriterien des Bombast-Kinos erfüllen dann auch die zwei Schlachten-Szenen, von denen die erste in einem Augenzwinkern vorüber geht, überhaupt nicht. Wie auch? Das finale Geplänkel in einer Stadt im Innern eines Berges wird die meiste Zeit aus einem Blickwinkel wie auf einen wuselnden Ameisenhaufen inszeniert.
Aus der Nähe missfallen die kämpfenden Horden aber noch mehr, da die goldenen Rüstungen der Menschen aussehen wie frisch vom Juwelier geliefert und die Menschen-Orks wie Amok laufende Hare-Krishna-Jünger.
Wer nun meint, der Film wäre so schlecht, dass er schon wieder lustig ist, irrt sich gewaltig. Bücher und Filme wie Eragon spielen jedem Kulturwissenschaftler lediglich schlagende Argumente dafür in die Hände, warum das Fantasy-Genre ein einziger großer Haufen Schund ist. Eragon präsentiert sich als ein lose zusammengenähter Flickenteppich, den 20th Century Fox nicht zum Fliegen bringen will, sondern nur ausbreitet, damit das Kinopublikum das alljährliche Weihnachts-Geld darauf wirft.
Dazu sei zu sagen: Wehret den Anfängen, denn Eragon ist die erste hässliche Herr der Ringe-Nachgeburt, von der noch viele kommen werden.
Neben der Geschäftemacherei krankt Eragon aber noch an etwas Grundlegenderem, das den Film insbesondere für anspruchsvolle Jugendliche und Erwachsene unerträglich machen wird. Letztes Jahr irritierte Die Chroniken von Narnia das Publikum, da es sich nun mal um die Adaption eines Kinder-Buchs handelte. Wer sich auf die überdeutliche Morallektionen und sprechenden Biber einlassen wollte, hatte Chancen, gut unterhalten zu werden - selbst als Erwachsener.
Das Einzige, worauf sich ein mündiger Zuschauer bei Eragon einlassen kann, ist lachhafte Selbstüberschätzung. Der erste Teil der geplanten Trilogie nimmt sich viel zu ernst. Der Film ist wie ein verbissener Jugendlicher, der bei den Erwachsenen mitmischen will, aber noch lange nicht reif dafür ist.
Markus “Marv” Grundtner