USA, 2011
Kinostart: 26.01.2012
The Calm and the Furious
Nicht jeder Film ist für jeden Zuschauer gemacht. Je weiter sich ein Filmemacher von den ausgetretenen Pfaden des Mainstreamkinos entfernt, desto stärker spaltet er sein Publikum. Drive, der neue Film von Bronson-Regisseur Nicolas Winding Refn, spielt besonders perfide mit den Mechaniken des Gewohnten, was der Produktionsfirma in den USA eine Klage einbrachte. Der Grund: der Film sei zu wenig wie The Fast and the Furious.
Drive erzählt von einem Fluchtwagenfahrer, der einen Job annimmt, um der Frau zu helfen, die er liebt. Als der Überfall scheitert und die Häscher des örtlichen Gangsterbosses sich an seine Fersen heften, tritt er die Flucht nach vorn an.
Es ist die alte Mär von dem, was schiefgeht, wenn man seine eigenen Regeln bricht. Der namenlose Fahrer ist ein hochkonzentrierter Profi, der direkt einem Michael-Mann-Film entsprungen scheint: Ein Mann, der auf die harte Tour gelernt hat, was passiert, wenn er die Kontrolle verliert und dessen stoische Art sich im Verlauf des Films immer mehr als Selbstschutz entpuppt. Ryan Gosling spielt die Rolle mit einer angespannten Ruhe, die Erinnerungen an den jungen Clint Eastwood oder Steve McQueen wach werden lässt. Provokationen und Drohungen begegnet er mit leiser Stimme und festem Blick; jede Antwort ist wohlüberlegt. Erst als die Gewalt mit einer Heftigkeit ausbricht, die die vorhergegangene Ruhe Lügen straft, ergibt sich ein Blick auf das, was hinter der Fassade lauert.
Der Film spielt in der Gegenwart, doch Refn beschwört Erinnerungen an die 80er Jahre herauf. Die musikalisch untermalten, dialogfreien Montagen, die betont prüde erzählte Liebesgeschichte und der klare, coole Synthesizer-Soundtrack geben Drive eine zeitlose Atmosphäre, die sich den Regeln des Gegenwartskinos entspannt widersetzt. Statt hektischer Kamera und treibender Musik bedient sich Refn scheinbar einfachster Mittel wie kaum hörbarem Bassdröhnen oder dem leisen Knarzen eines Lederhandschuhs, um den Schraubstock der Suspense fester zu ziehen - mit gelegentlichen, explosionsartigen Ausbrüchen extremer Gewalt als effektivem Kontrapunkt.
Drive ist ein Lehrstück ökonomischen Filmemachens. Keine Szene, keine Einstellung, keine Geste, die nicht den Plot und die Figuren voranbringt. Ein Film, der seine gebrochenen Figuren ebenso ernst nimmt wie Action und Optik. Ein Adrenalin-Cocktail für diejenigen, die unterhalten werden wollen, ohne ihr Gehirn an der Kasse abzugeben.
Felix “Flex” Dencker